Wir porträtieren gemeinnützige Organisationen, wie diese KI im Arbeitsalltag nutzen. Heute: die Stiftung Aktive Bürgerschaft. Mit dem Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands der Stiftung Aktive Bürgerschaft, Dr. Stefan Nährlich, sprach CAMPUS-Kollege Florian Hinze.
Wie hat die Stiftung Aktive Bürgerschaft es geschafft, sich komplett zu digitalisieren?
Dr. Stefan Nährlich: So schwer war es nicht. Wir wollten aus der Coronazeit das Beste machen und die notwendige Digitalisierung in die Cloud nutzen, uns komplett neu aufzustellen. Die Digitalisierung war das eine, aber es war ja auch klar, dass die Digitalisierung zum mobilen Arbeiten führen würde und das wir diese auch gestalten müssen.
Die Digitalisierung fiel uns leicht, weil wir autonom entscheiden konnten und in keine Strukturen von Dritten eingebunden waren. Die erste Frage war: Wie kommen wir von einer vernetzten, aber ortsgebundenen Arbeitsumgebung mit Windows und Office zu einer ortsungebundenen Arbeitsumgebung? Wir haben uns aus verschiedenen Gründen für die Cloudlösung Microsoft 365 entschieden. Die zweite Frage war dann: Wozu müsste ich jetzt noch ins Büro gehen? Die Antwort waren drei Gründe: CRM-Datenbank, Unterschriften, Buchhaltung. Diese drei Bereiche haben wir dann ebenfalls in die Cloud digitalisiert.
Was bedeuten Digitalisierung und mobiles Arbeiten im Alltag der Stiftung?
Dr. Stefan Nährlich: Wie viele andere wohl auch sind wir nicht mehr täglich gemeinsam im Büro. Wir haben aber natürlich einiges ausprobiert, um die Gemeinscaft zu stärken, geblieben sind ein täglicher bürgerAktiver Gutenmorgengruß an das ganze Team, vier verschiedene Teamevents im Jahr, Desksharing und die Homeoffice-Pauschalen. Wir sind üblicherweise ein- oder zweimal in der Woche in der Geschäftsstelle, sehen uns aber mehrmals in der Woche in Onlinemeetings. Wir sehen das im Team durchweg sehr positiv und wissen auch sehr zu schätzen, dass das bei uns möglich ist.
Wie nutzt die Stiftung KI im Alltag?
Dr. Stefan Nährlich: Wir setzen ausschließlich ChatGPT im sogenannten Team-Abonnement ein, da es dort den sicheren Workplace gibt, bei dem Nutzereingaben nicht zum Training der KI verwendet werden. Wir haben aktuell zwei Lizenzen, die wir uns im Team der Stiftung teilen. Zum einen braucht nicht jeder zu jeder Zeit Zugang zur KI, zum anderen ist das natürlich auch eine Kostenfrage. Hier würde ich mir einen speziellen Tarif für gemeinnützige Organisationen wünschen.
Wichtig war uns, dass der KI-Einsatz von klaren Spielregeln begleitet wird. Wir haben Richtlinien aufgestellt, was bei der KI-Nutzung bei uns nicht erlaubt ist, was zu beachten ist und wozu die KI vorzugsweise eingesetzt werden soll. Keine Beratungen durch KI, keine Gremienprotokolle durch KI, keine Fotogenerierung durch KI. Viermal im Jahr tauschen wir uns in kleinen Team-Weiterbildungen über gute Prompts, rechtliche Rahmenbedingen, neue Funktionen und Einsatzmöglichkeiten aus.
Ich selbst nutze beruflich noch Googles AI Studio und ElevenLabs. Hier sind die Programmierfunktionen und die Podcast- und Audiofunktionen für uns interessant.
Wo funktioniert der Einsatz von KI besonders gut?
Dr. Stefan Nährlich: Besonders nützlich ist der KI-Einsatz, wenn wir Strategien und Konzepte entwickeln oder Veranstaltungsprogramme und Arbeitsprozesse verbessern wollen. Also Aufgaben, bei denen eine andere Perspektive unsere eigenen Erfahrungen und Arbeitsweisen ergänzt. Seit die DeepThinking und DeepResearch-Funktionen bei ChatGPT und anderen Modellen verfügbar sind, geht das sehr gut. ChatGPT5 hat auch noch einmal, wie ich finde, deutliche Verbesserungen beim Thema Wahrheitsgehalt gebracht. Die KI halluziniert weniger, aber natürlich muss man genau hinschauen.
Außerdem machen wir gute Erfahrungen mit der KI als Hilfsmittel beim Texten oder beim Bearbeiten von Bildern. Wir setzen Künstliche Intelligenz auch als interne Wissensdatenbank (GPTs) beispielsweise für unsere Gremien oder für unsere Arbeit ein. Für kritisches Feedback und zur Überprüfung beispielsweise zu KI erstellten Content, als Korrektorat von Texten oder die Überarbeitung von Transkripten. Natürlich auch zum Optimieren unserer Förderanträge und zum Aufbereiten von Bewerbungen um Fördermittel, die bei uns eingehen. Außerdem noch in einigen anderen Bereichen, über die wir vielleicht in einem Jahr sprechen können.
Wo hilft KI nicht oder noch nicht so gut?
Dr. Stefan Nährlich: Text auf Grafik ist besser geworden, man braucht aber meist mehrere Anläufe für fehlerfreie Texte, und das ist dann auch keine große Hilfe. Die Zusammenfassungen von Besprechungen sind auch nicht wirklich nützlich, oft zu allgemein oder die KI versteht inhaltlich nicht richtig, was gemeint ist. Wir sprechen ja häufig in Fachtermini und manchmal Slang, wer weiß schon, was mit “Rote Liste” oder “BüVet” gemeint ist. Wir sind aber längst nicht an unsere Grenzen gestoßen, was mit KI möglich ist. Insofern setzen wir die Künstliche Intelligenz erst einmal in anderen Prozessen ein.
Aktuell sehe ich die Herausforderung eher darin, unsere Routinen zu durchbrechen und die KI Nutzung systematisch in unsere gewohnten Arbeitsweisen und -prozesse einzuschleifen. Dabei darf man nicht aus den Augen verlieren, dass KI kein Selbstzweck ist. Die Frage ist immer: Wird das Arbeitsergebnis durch KI besser, braucht man weniger Zeit, um zu diesem Ergebnis zu kommen, oder können wir unseren Partnern in Schulen und Bürgerstiftungen hilfreiche Supportangebote machen, die erst durch den Einsatz von KI möglich geworden sind?
Wie behalten Sie selbst den Überblick über Entwicklungen?
Dr. Stefan Nährlich: Einen Überblick über die gesamte Entwicklung habe ich natürlich nicht, aber einen guten Einblick in den Bereich, der für unsere Arbeit nützlich sein kann.
Die Anzahl der KI-Tools ist tatsächlich riesig und wöchentlich kommen neue hinzu. Letztlich wird die Entwicklung aber doch von wenigen großen Playern bestimmt wie OpenAI oder Google. Dazu die Spezialisten für Video-KI oder Audio-KI. Ich verfolge einmal die Woche den YouTube-Kanal der Digitalen Profis, um auf dem Laufenden zu bleiben und ansonsten versuchen wir natürlich, ChatGPT gut anwenden und einsetzen zu können, und teilen im Team unsere Erfahrungen.
Das obige Foto wurde von Googles neuster Bild-KI Imagen 4 (im Pro-Plan) generiert. Prompt: “Erstelle ein Foto von den beiden in einer Interviewsituation in einem modern eingerichteten Büro in Berlin. Im Hintergrund ein Digitalbildschirm, auf dem Nachrichten zum Thema Künstliche Intelligenz laufen.” Hierfür sind die Fotos aus diesem Interview verwendet worden. Hinweis: Die Stiftung Aktive Bürgerschaft nutzt in ihrer Kommunikation keine KI-Bilder; das obige Bild wurde ausschließlich zum Zwecke der Illustration dieses Interviews erzeugt.