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Interview mit Julian Siegmann, wie man aus einem Angebot, das sich an Kinder richtet, eines für Erwachsene macht, und beide Angebote nachhaltig finanziert


Was ist Ackerdemia? 

Ackerdemia e.V. ist ein gemeinnütziger Verein mit einem Bildungsprogramm, das Wertschätzung für Natur und Lebensmittelproduktion in Schulen und Kitas bringt. Gemeinsam mit den Pädagogen an den Bildungseinrichtungen führen wir ganzjährig unser Programm durch. Zum Ende des Jahres haben die Kinder dann ihr eigenes Gemüse angebaut und erfahren so, wie wertvoll der Anbau ist und wie viel Arbeit und Zeit da eigentlich drinsteckt.  

Was ist die Acker Company GmbH? 

Die Acker Company bietet mit der Acker Pause ein Office-Gardening-Programm für Unternehmen und ihre Mitarbeiter an: Nach dem Motto “Gemüse säen – Teamgeist ernten” können Mitarbeitende ihre eigenen Gemüsebeete im Büro anbauen. Entweder als Teambuilding-Maßnahme oder zur Gesundheitsförderung. 

Wie entstand die Idee des Office Gardening? 

Die Idee zur Acker Company GmbH gab es schon sehr früh. Mit dem Bildungsprogramm der Gemüse Akademie haben wir bereits ein sehr gutes Programm für Kinder und Jugendliche entwickelt, mit dem wir mittlerweile an knapp 700 Schulen und Kitas in Deutschland, Österreich, der Schweiz unterwegs sind und knapp 30.000 Kindern bedienen.

Wir haben stets den Fokus behalten, und darauf geachtet, dass wir dieses Programm erst einmal zum Laufen bringen, bevor wir es auf Erwachsene ausweiten. Stückweise haben wir uns dann intensiver mit der Zielgruppe der Erwachsenen beschäftigt, einen Piloten gestartet und Masterabeiten zu dem Thema vergeben.

Irgendwann waren wir dann mit unserem Bildungsprogramm für Kinder so weit, dass auch der Raum da war, sich intensiver mit der Idee der Acker Company zu beschäftigen: Wie müsste das Programm für Erwachsene eigentlich aussehen? Wie schaffen wir es, das Programm organisatorisch und finanziell auf die Beine zu stellen?  

Wieso habt Ihr euch für die Gründung einer GmbH entschieden? 

Um das Angebot des Office Gardening organisatorisch umzusetzen, gab es zwei Möglichkeiten: Entweder wir schließen das Angebot an unseren Verein an oder wir gründen eine gGmbH oder eine GmbH. Wegen der Gemeinnützigkeit des Vereins haben wir uns zur Gründung einer GmbH entschlossen. Außerdem wollten wir Impact Investoren gewinnen, die das Risiko für die Unternehmung mittragen.

Wir haben ein Modell gewählt, mit dem wir uns gemeinsam mit den Investoren darauf verständigen können, dass, sobald Gewinne erzielt werden, diese größtenteils wieder zurück an den Verein fließen. Somit zahlt alles, was wir in Summe in der GmbH erwirtschaften, auf unsere Vision ein.  

Wie habt ihr eure Investoren gefunden? 

Unterschiedlich. Zum einen kam uns hier unser Netzwerk zu Gute, das wir durch unseren Verein Ackerdemia e.V. bereits seit mehreren Jahren aufbauen und pflegen. Zum anderen erhielten wir Unterstützung durch FASE – eine Organisation, die bei solchen Investitionsrunden für Sozialunternehmen unterstützt. Darüber bekamen wir die Möglichkeit, verschiedene Netzwerke anzusprechen.  

Wie habt ihr die Startphase finanziert?  

Die Anfänge beruhen auf unserem persönlichen Engagement. Außerdem hat es uns geholfen, dass wir bereits sehr früh mit Investoren in Kontakt waren. Und wir haben uns sehr früh über andere Finanzierungsmöglichkeiten Gedanken gemacht.

Wir haben uns beim Gründungsbonus beworben und die Finanzierung bekommen. Für unseren Businessplan haben wir außerdem eine Auszeichnung bekommen. Das war natürlich ein wichtiges Aushängeschild für weitere Investoren sowie Co-Finanzierungen. Dann haben wir uns anschließend bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt beworben und dort auch nochmal eine Finanzierung einwerben können. 

Was war euch am Anfang besonders wichtig? 

Dass wir die Wirkung unseres Tuns darstellen können. Wir bei Ackerdemia arbeiten mit dem IOOI-Modell, also Input, Output, Outcome, Impact. Somit konnten wir von Anfang an gut darstellen, wie unser Programm wirkt. Und dann haben wir ein klassisches Business Model Canvas angewandt und einen Business Plan geschrieben. Das hilft natürlich auch, um Investoren zu gewinnen, und denen glaubhaft darstellen zu können, dass wir einen wirtschaftlich tragfähigen Case verfolgen.

Außerdem war uns wichtig, dass wir uns alle als Teil der Ackerdemia Familie sehen und auf die gleiche Vision hin arbeiten. Dafür war es wichtig bereits zu Beginn alle Beteiligten abzuholen: Was ist unsere Vision, was ist unsere Mission und was müssen wir dafür tun?

Wie seid ihr finanziell aufgestellt? 

Finanzielle Nachhaltigkeit ist für uns schon immer ein zentrales Thema gewesen: Ein Programm muss wirkungsvoll, skalierbar und finanziell nachhaltig sein. Das bedeutet, es muss sich selbst tragen können und am besten auch möglichst unabhängig von einzelnen Störfaktoren und Einflüssen funktionieren.

Diese finanzielle Nachhaltigkeit muss natürlich auch in unserer Acker Company gegeben sein. Wir können hier nicht wie im Verein Förderungen für gemeinnützige Zwecke beantragen oder zu Stiftungen gehen. Dafür haben wir andere Hebel, die wir im Verein nicht haben – wie z.B. durch klassische Zahlungsbereitschaft am Markt erfolgreich zu sein.

Für uns ist wichtig, dass diejenigen, bei denen die Wirkung ankommt – z.B. also Schulen und Kitas auch einen Eigenbeitrag leisten. Das hat vor allem auch mit Wertschätzung zu tun: Was nichts kostet, ist auch nichts wert. Auch das ist eine wichtige Säule in unserem Gesamtfinanzierungsmodell.  

Wichtig ist, dass man sich breit aufstellt und nicht abhängig ist von einer großen Einnahmequelle. Breit aufstellen, heißt, Fördermittel und Drittmittel einwerben, über die öffentliche Hand, von Stiftungen oder aus Unternehmenspartnerschaften.

Was waren eure Erfolgsfaktoren?  

Dass wir uns sehr lange intensiv mit dem Produkt auseinandergesetzt, es getestet und angewendet haben: Ein Jahr lang haben wir sechs Schulen persönlich begleitet und somit Erkenntnisse gewonnen, die noch heute relevant für uns sind.

Das andere ist, dass man sich nicht verzettelt, sondern fokussiert bleibt. Außerdem war es wichtig, dass wir hier mit den Unternehmen schon frühzeitig getestet und ausprobiert haben: Was können wir aus dem Wissensschatz einbringen? Natürlich muss man auch offen für Änderungen sein, und sich früh Feedback einzuholen.

Was den Gemüseanbau angeht, ist das Prinzip bei Erwachsenen und Kindern gleich, man startet meistens bei Null. Aber natürlich kommen im Projektalltag noch wichtige Faktoren wie Teambuilding und gesunde Ernährung hinzu, die zuvor im Bildungsprogramm nicht so eine große Rolle gespielt haben. Diese Komponenten mussten wir neu entwickeln und in das Gesamtprodukt mit einbringen.  

Wichtig ist es, sich schon früh mit den Kunden und den Teilnehmenden zu beschäftigen: Was sind die Bedürfnisse der Zielgruppe? Wie können wir diese am besten befriedigen? Außerdem sollte man gleich zu Beginn die Skalierbarkeit der Leistung mitdenken.

Was würdest du Leuten mitgeben, die noch am Anfang stehen?  

Am Anfang ist es wichtig, sich nicht demotivieren zu lassen von Kommentaren wie “Das bringt doch nichts”, oder “Das klappt nicht”. Wir arbeiten mit Kindern und Eltern an Schulen mit Lebensmitteln. Das sind alles Kriterien, bei denen ein Jurist sagen würde, lass da bloß die Finger von. Man darf sich hier nicht beirren lassen.

Vielmehr sollte man sich die Frage stellen: Ist das Ganze wirkungsvoll, skalierbar und nachhaltig finanzierbar? Wenn ja, dann sollte man an seinem Plan festhalten und sich darauf fokussieren. Zusätzlich macht es Sinn sich zu überlegen, wie lange und bis wohin soll ich in diese Richtung laufen? Welche Meilensteine signalisieren mir, dass ich hier auf dem richtigen Weg bin? Gibt es irgendwo einen Punkt, an dem ich die Handbremse ziehen muss und mich nochmal neu orientieren muss? Aber nicht zu früh aufhören! 

Habt ihr Fehler gemacht und wie seid ihr damit umgegangen? 

Zum Glück gab es sehr viele Fehler, die wir gemacht haben! Fehler sind die wichtigste Quelle für Erkenntnisse, um Dinge besser zu machen. Ohne Fehler kommt man nicht zum bestmöglichen Ergebnis.

Wichtig ist, dass man eine offene Fehlerkultur pflegt, dass es ein gemeinsames Verständnis dafür gibt, dass man aus Fehlern lernt, Erkenntnisse gewinnt und Dinge dann besser macht.

Es gibt ein Sprichwort, das ganz gut passt: ”fail early and often”. Also nicht zu lange glauben, die beste Lösung im Elfenbeinturm zu entwickeln, sondern früh rausgehen, ausprobieren, sich Feedback einholen, die Dinge verbessern, wieder rausgehen und ausprobieren.  

Julians Erfahrungen als Praxisbeispiel in unserem Kursangebot

Hier dreht sich alles um die Frage, wie du soziale und wirtschaftlich tragfähige Angebote für deine gemeinnützige Organisation entwickeln kannst. Du lernst, wie du unternehmerische Mittel einsetzt, um soziale Ziele besser zu erreichen und dich gleichzeitig wirtschaftlich stabiler aufzustellen.

Anhand des wirklich spannenden Praxisbeispiels der Ackerpause skizzieren wir, wie das mit dem sozialunternehmerischen Denken und Handeln im Organisationsalltag funktioniert. Daneben stellen wir ein nützliches Werkzeug vor, dass ungemein dabei hilft, dich selbst zu strukturieren: das Social Business Model Canvas.