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Handlungsempfehlungen & Tipps für Förder*innen – und solche, die es werden wollen

In Krisen wie der Corona-Pandemie leisten gemeinnützige Organisationen wichtige Arbeit: Sie organisieren Nachbarschaftshilfe, Seelsorge oder soziale Dienste. Aber: Sie benötigen ebenfalls Zuspruch. Denn während sich Non-Profits engagieren, brechen ihnen parallel dazu die Einnahmen weg. Das gefährdet nicht nur tausende Jobs im sozialen Bereich, sondern bringt viele Organisationen an den Rand der Handlungsfähigkeit.

Förder*innen haben in solchen Fällen zwei Möglichkeiten: 

  • Sie können die Zivilgesellschaft im Ganzen unterstützen.
  • Sie können solche Organisationen fördern, die unmittelbar gegen die Auswirkungen der Krise ankämpfen.

Die Zivilgesellschaft stärken

Im Kern heißt das: Förder*innen unterstützen gemeinnützige Organisationen mittels Geld und Ressourcen. Die Corona-Krise zeigt, wie elementar wichtig diese Art grundlegender Förderung ist. Die allermeisten gemeinnützige Organisationen sind allenfalls knapp durchfinanziert. Deswegen kommt es darauf an, dass Förder*innen mit dauerhaften (!) Zuwendungen qualitativ hochwertige Arbeit sicherstellen. 

In der Pandemie ging der Politik verloren, wie wichtig der Ehrenamtsbereich ist. – Holger Kähler, Videlis Seniorenreisen e.V.


Die Frage, an welchen Stellen Gelder besonders dringend gebraucht werden, ist schwerlich objektiv zu beantworten. Wichtig ist allein, dass Förder*innen sich in einem Bereich engagieren, der einen objektiv feststellbaren gesellschaftlichen Bedarf befriedigt. Objektiv feststellbar heißt, dass der Bedarf sich anhand nachvollziehbarer Indikatoren ermitteln lässt – also, dass fest umrissene Zielgruppen oder gar konkrete Nachfragen dieser Zielgruppen nach einem bestimmten Angebot existieren.

Die Bedarfsorientierung sorgt dafür, dass Förder*innen weniger aus gefühltem Wissen heraus investieren, sondern dass die Förderung nachhaltig wirkt und eine reale Lücke schließt.

Das können Förder*innen konkret tun:

  • Spenden Sie so, dass es der Organisation am meisten nutzt: ohne Zweckbindung. Vertrauen Sie auf das Know-how und die Erfahrung der Organisation, dass sie das Geld optimal einsetzen wird.  
  • Ermöglichen Sie durch Zuwendungen oder Ihr Netzwerk, dass Organisationen sich selbst, ihr Geschäftsmodell und ihre Angebote weiterentwickeln können. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, ist es vielen Vereinen mangels ausreichender Ressourcen oft nicht möglich, die eigene Arbeit kontinuierlich zu hinterfragen und neu auszurichten. 
  • Erwägen Sie eine institutionelle Förderung, indem Sie Miet-, Personal-, IT- oder Fortbildungskosten übernehmen. Eine institutionelle Förderung ermöglicht Planungssicherheit und Flexibilität. Umgekehrt wirkt sich eine strukturelle Unterfinanzierung unmittelbar negativ auf die Leistungsfähigkeit der Organisation aus – und gefährdet letztlich deren gesamte Arbeit.

Organisationen fördern, die gegen die Krise ankämpfen

Förder*innen können Organisationen unterstützen, die ihren Zielgruppen ein spezielles Hilfsangebot zum Umgang mit der Krise unterbreitet. Das umfasst zum Beispiel Online- und Telefonangebote, etwa eine Online-Beratung für Suizidgefährdete, eine App für an Depression Erkrankte oder die klassische Telefonseelsorge.

Der Wegfall der Spenden und anderer Einnahmen in Verbindung mit gleichzeitig steigenden Kosten haben uns an die Grenzen gebracht. – Johanna Steudtner, wirmachenwelle e.V.

Insbesondere braucht es Angebote für Menschen, die besonders von der Krise betroffen sind: Erkrankte, Ältere, Geflüchtete oder Kinder aus prekären Verhältnissen sind meist akuter gefährdet als andere.

Das können Förder*innen konkret tun:

  • Fördern Sie die Verbreitung – die Skalierung – bewährter und wirksamer Projekte. Während der Corona-Pandemie waren das zum Beispiel Online-Beratungen oder Hotlines. Eine zügige Ausweitung solcher Angebote kann sinnvoll sein, um dem wachsenden Bedarf gerecht zu werden. Bitte bedenken Sie dabei, dass solche Angebote nach der Krise wieder angepasst werden müssen. Lassen Sie die Organisationen dabei nicht allein.
  • Unterstützen Sie Organisationen in ihrer Weiterentwicklung, denn auch Erfolg will gelernt sein. Ein starker Anstieg der Nutzerzahlen, eine breitere Angebotspalette, der personelle Zuwachs, neue Standorte – wachsende Organisationen haben ganz ei gene Herausforderungen, die unterstützt werden müssen.

In der Pandemie haben wir gelernt, anders zu arbeiten und unsere Arbeitsweise anzupassen, aber der Druck war immens. – Gretta Hohl, TeachSurfing gUG

Wann sollten Sie sich engagieren?

Kurzfristig ist Akuthilfe gefragt, es geht vor allem um Schadensbegrenzung. Aber auch danach werden gemeinnützige Organisationen auf Unterstützung angewiesen sein. Mittel- & langfristig geht es daher um Wiederaufbau, Stabilisierung & Prävention.

Ziel ist die vollständige Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit sowie die Errichtung eines Schutzschilds, der dafür sorgt, dass sie vor künftigen Krisen besser geschützt sind.

Akuthilfe leisten

Akuthilfe heißt, gemeinnützige Organisationen dabei zu unterstützen, handlungsfähig zu bleiben. 

Das können Förder*innen konkret tun:

  • Eine große Hilfe kann bereits darin bestehen, zu signalisieren, dass Sie da sind.
  • Helfen Sie unbürokratisch. Verzichten Sie auf langwierige Antrags- und Reportingprozesse. Stiftungen könnten bspw. helfen, indem sie niedrigschwellige Förderprogramme aufsetzen und auf hochformalisierte Antragsverfahren verzichten. 
  • Helfen Sie kurzfristig. Die Überlebensfähigkeit vieler Organisationen bemisst sich in Tagen, nicht Wochen oder gar Monaten. 
  • Anstatt mehrerer Kleinstförderungen konzentrieren Sie sich auf eine substanzielle Förderung
  • Es ist akzeptabel, auch in Bereichen prinzipiell staatlicher Grundaufgaben tätig zu werden.
  • Wer spenden will, darf auch ein Risiko eingehen.

Wichtig: Es braucht immer eine Bedarfsanalyse! Nur wer vor Ort nachfragt, weiß, was gebraucht wird.

Verwendungsnachweise vereinfachen

Non-Profits haben gerade in Krisen kaum Kapazitäten, detailliert Mittelverwendungsnachweise zu dokumentieren. Schlicht gehaltene Verwendungsnachweise, die auf größtmöglicher Vertrauensbasis fußen, sind eminent wichtig. 

Jede Stiftung hat andere Reportingkriterien und möchte andere Informationen, die jeweils unterschiedlich aufbereitet sind. Das kostet viel Zeit.– Thomas Müller-Schöll, Schützer der Erde e.V.

Wiederaufbau, Stabilisierung und Prävention

Förder*innen können gemeinnützige Organisationen helfen, sich zu stabilisieren.

Das können Förder*innen konkret tun:

  • Bieten Sie eine Perspektive, idealerweise eine langfristige. Wenn Sie sich nicht langfristig verpflichten möchten, kann eine akzeptable Perspektive auch darin bestehen, dass Sie ein Ausstiegsszenario verabreden, dass nicht unmittelbar mit Abklingen der Krise endet, sondern erst ein paar Monate später. 
  • Fördern Sie Overhead und Infrastruktur einer Organisation. Unterstützen Sie Maßnahmen, die auf eine langfristige Stärkung zielen, mithin jede Form von Professionalisierung. Das kann z.B. die Fundraisingstelle sein, die Sie finanzieren, oder eine stabile IT. 
  • Ermöglichen Sie Weiterbildungen und finanzieren Sie den organisationsinternen Kompetenzaufbau – in Buchhaltung, Projektmanagement oder Kommunikation. 
  • Finanzieren Sie professionelle Beratung. In Fällen, in denen eine Weiterbildungsmaßnahme übertrieben ist, kann externe Beratung eine effektive Möglichkeit sein. Der Einkauf einer Beratungsleistung sollte stets dazu führen, dass die Organisation nach Abschluss der Beratung handlungsfähiger ist als zuvor.
  • Unterstützen Sie die Vernetzung. Viele Organisationen sind häufig so in den Projekt-alltag eingebunden, dass ihnen für den Austausch keine Zeit bleibt. Sie können hierbei eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, verschiedene Initiativen zu vernetzen und einen Austausch zu organisieren.

    Vernetzung
    heißt auch, der Organisation Türen zu öffnen, ihr Gelegenheiten zu bieten, sich Dritten gegenüber zu präsentieren, Pro-bono-Beratung zu vermitteln oder sie an Ihrem Insiderwissen teilhaben zu lassen. 
  • Sie können eine Organisation auch in der Verbreitung – Skalierung – unterstützen, sofern sie entsprechende Potenziale besitzt. Gegebenenfalls wäre auch die Finanzierung einer Machbarkeitsstudie sinnvoll.

Wie findet sich eine passende Organisation?

Eine gute Organisation erkennen Sie daran, dass diese bereitwillig über sich und ihre Arbeit informiert. Beispielsweise gibt es eine regelmäßig aktualisierte Website mit relevanten Informationen über Governance und Finanzen sowie einem aktuellen Jahresbericht.

Pluspunkt bei größeren Organisationen: ein Bekenntnis zur Initiative Transparente Zivilgesellschaft. Neue und junge Initiativen erfüllen solche Ansprüche meist noch nicht.

Wir haben keine Firma gefunden, die gesagt hat: ‘Wir unterstützen euch institutionell’. Die meisten stellen eine Projektförderung in Aussicht, aber eben nicht mehr. – Thomas Müller-Schöll, Schützer der Erde e.V.

In diesem Fall gewinnen Sie das nötige Vertrauen durch direkten Kontakt und durch Antworten auf folgende Fragen:

  • Was genau möchte die Organisation bei welchen Zielgruppen und mithilfe welcher Angebote und Methoden bewirken? 
  • Welche Ergebnisse hat sie bislang bei wem erreicht und innerhalb welchen Zeitraums? 
  • Sind die Aktivitäten auf einen langen Zeitraum ausgerichtet? Ist das Projekt anschlussfähig an ähnliche Projekte Anderer? Kooperiert die Organisation gar mit Dritten?
  • Ist das Team qualifiziert und motiviert? Gibt es eine Lernkultur?

Klare Antworten sind ein Zeichen dafür, dass die Organisation gut aufgestellt ist.

Wie sollten Sie fördern?

Vertrauen Sie auf nachhaltige und wirkungsorientierte Förderansätze, gerade in Krisenzeiten.

  • Fördern Sie wirkungsorientiert: Folgen Sie nicht allein einem inneren Impuls, sondern auch einer Strategie: Planen Sie Ihr Engagement, agieren Sie gleichermaßen koordiniert und flexibel, und behalten Sie Ziele und Zielgruppen im Blick.

    Fragen Sie sich immer: Welches konkrete Problem möchten Sie bei welchen Zielgruppen mithilfe welcher Angebote oder Methoden lösen? Überlegen Sie auch, ob und wie sich diese Wirkungen feststellen lassen. Machen Sie aus der Ergebnisfixierung aber kein Dogma: Wirkungen sind selten monokausal und stellen sich häufig erst nach Jahren ein. Überlegen Sie daher, in welcher Form Ihr Engagement zu Wirkungen mit beitragen kann. 
  • Fördern Sie bedarfsorientiert: Hören Sie zu, wenn Organisationen Wünsche äußern, und unterstützen Sie begründete Bedarfe.

    Ihr persönliches Bauchgefühl oder gut gemeinte Ratschläge helfen in der Regel nicht.

    Ob sie neue oder eher etablierte Ansätze unterstützen, bleibt ganz ihnen überlassen. Beides ist legitim – solange die Förderstrategie sicherstellt, dass jede Förderung nachhaltig aufgestellt ist.  
  • Fördern Sie partizipativ: Setzen Sie auf ein konstruktives Miteinander. Vor allem kommt es darauf an, dass Sie das Machtgefälle zwischen Ihnen als Geldgeber*in und der Organisation als Empfänger*in überwinden und ein vertrauensvolles Verhältnis schaffen. Entwickeln Sie Förderpläne gemeinsam und binden Sie die Organisation in Ihre Entscheidungen mit ein. 
  • Fördern Sie gemeinsam: Gerade in Krisenzeiten ist es sinnvoll, Ressourcen zu bündeln und in Partnerschaften und Netzwerken zu denken. Denkbar wäre ein Engagement im Rahmen von Nothilfefonds etc. 
  • Fördern Sie nachhaltig: Eine starke Zivilgesellschaft braucht gesunde, starke Organisationen. Finanzieren Sie daher nicht nur Projekte, sondern auch Overhead und Infrastruktur. Richtwert: Mindestens 20 Prozent.  
  • Fördern Sie mit mehr als Geld: Natürlich benötigen Organisationen aktuell vor allem Liquidität. Mittel- und langfristig ist einigen Organisationen aber mehr geholfen, wenn Sie ihnen Kontakte vermitteln oder Zugänge zu Netzwerken schaffen. 
  • Investieren Sie! Das Repertoire an Fördermöglichkeiten endet nicht mit einer Spende oder Förderung. Sie können auch Ihr Kapital nutzen, um Gutes zu tun.

Warum Krisen zu Krisen führen

Die allermeisten Vereine und Initiativen besitzen keinen finanziellen Spielraum; selten reichen die Mittel länger als ein paar Wochen.

Chancengleichheit darf nicht spendenabhängig sein. – Edgardis Garlin, Zentrum für kindliche Mehrsprachigkeit e.V.

Ursache hierfür ist leider die gängige Förderpraxis, die sich vor allem an kurzfristigen Projektförderungen orientiert und die verhindert, dass gemeinnützige Organisationen Rücklagen aufbauen können.

Krisen wie Corona bergen daher für viele gemeinnützige Organisationen die Gefahr des wirtschaftlichen Ruins, weil …

  • Spenden und Fördermittel von Unternehmen, Stiftungen und Privatpersonen wegbrechen, 
  • Projektförderungen häufig an Projektergebnisse gekoppelt sind, die aktuell nicht erbracht werden können,
  • Benefizkonzerte, Spendenläufe und andere Fundraising-Events ausfallen und sich Einnahmeverluste nicht kompensieren lassen, 
  • Mitglieder infolge von Jobverlust etc. ihre Vereinsbeiträge nicht mehr entrichten können. 

Erschwerend kommt hinzu, dass die allermeisten Organisationen nicht darauf vorbereitet sind, digital zu arbeiten oder Online-Angebote zu entwickeln. Vielmehr weist ein überwiegender Anteil aller gemeinnützigen Organisationen nur einen geringen Digitalisierungsgrad auf. Es mangelt an digitaler Infrastruktur ebenso wie an erforderlichen Kompetenzen.

Dieser Beitrag wurde ermöglicht mit Mitteln der Deutschen Postcode Lotterie. Danke!

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