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Klimaschutz, Jugendbetreuung, Integration Geflüchteter: Es ist eine Sache, innovative Ideen zur Lösung sozialer Probleme zu entwickeln. Diese Ideen in ein tragfähiges Geschäftsmodell umzuwandeln, ist die andere. Wie euch die Kreativmethode Design Thinking dabei hilft

Die Idee ist gut, aber entspricht sie zu 100 Prozent dem Bedarf der Zielgruppe? Diese Frage liegt dem Design Thinking zugrunde – einer Problemlösungsmethode mit Fokus auf Beobachtung und Nutzerorientierung. Ursprünglich wurde sie von Designern angewandt, mittlerweile ist sie aber auch in anderen Branchen beliebt und eignet sich daher ebenso gut für den Non-Profit-Bereich.

Mit konkreten und oft spielerisch-interaktiven Methoden könnt ihr im Team nicht nur Produkte und Angebote entwickeln, die auf die Lebenswirklichkeit und Wünsche eurer Zielgruppe abgestimmt sind und deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit gut funktionieren. Auch könnt ihr herausfinden, welchen Nutzen eure Organisation für wen stiftet und warum und wie ihr daraus langfristig Einnahmen erzielen könnt. Kurz: welches Geschäftsmodell am besten zu euch passt.

In 6 Schritten von der Idee zur Umsetzung

Der deutsche Design-Thinking-Vorreiter – die Hasso-Plattner-Institut Acadamy (HPI Academy) in Potsdam – hat sechs Schritte definiert:

  1. Verstehen: In dieser Phase steckt ihr als Team den Problemraum ab.
  2. Beobachten: Ihr baut Empathie für Nutzer*innen und Betroffene auf.
  3. Sichtweisen definieren: Ihr tragt die in der ersten und zweiten Phase gewonnenen Erkenntnisse zusammen und verdichtet sie.
  4. Ideen finden: Konkrete Ideen zum Geschäftsmodell entstehen.
  5. Prototypen entwickeln: Abschließend entwickelt ihr Prototypen der vielversprechendsten Modelle.
  6. Testen: Ihr holt Feedback zu den Prototypen ein.

Der Design-Thinking-Prozess im Detail

Bevor ihr startet, legt ihr die Rahmenbedingungen fest. Das ist wichtig, damit alle im Team ein gemeinsames Verständnis vom Prozess, der Philosophie und dem Nutzen der Design-Thinking-Methode haben.

Apropos Team: Die Zusammensetzung eures Teams ist für den Erfolg eures Design-Thinking-Prozesses entscheidend. Optimal ist eine interdisziplinäre Gruppe aus vier bis acht Personen: Je mehr Expert*innen, Blickwinkel und Ansätze, desto besser!

In den ersten beiden Phasen geht es darum, so viele Daten wie möglich zu sammeln, um Inspiration für ein Geschäftsmodell zu bekommen. An Lösungen braucht und sollt ihr dabei noch nicht denken.

1. Verstehen

Im ersten Schritt ist es wichtig, ein gemeinsames Verständnis des Status quo zu schaffen. Um zu einem einheitlichen Wissensstand zu kommen, könnt ihr zum Beispiel zum Problem, dem Markt und euren Mitbewerber*innen recherchieren und euch dann im Team über die gewonnenen Erkenntnisse austauschen. Diese Diskussion dient auch dazu, einheitliche Begriffe zu definieren.

Ziel dieser Phase ist es, eine konkrete Fragestellung zu formulieren.

Praxisbeispiel:
Wenn ihr zum Beispiel Kaffee-Kleinbauern in Äthiopien wirtschaftlich unterstützen und so die Armut in der afrikanischen Region mindern möchtet, könnt ihr Schlüsselbegriffe wie “nachhaltiger Kaffeehandel”, “„Fair Trade” und “Bauernkooperativen” auf Post-its notieren und in der Gruppe besprechen. Gemeinsam bestimmt ihr dann die Bedeutung der Begriffe im Zusammenhang mit eurer Idee.

Jede*r formuliert konkrete Sätze, die das Problem beschreiben. Einigt euch dann auf den treffendsten Satz, zum Beispiel: Wie können wir mit dem Handeln mit Kaffee aus Äthiopien die Menschen vor Ort nachhaltig unterstützen?

2. Beobachten

Sind Begriffe und die Problemstellung geklärt, richtet ihr den Blick auf eure Zielgruppe. Im Falle unseres Beispiels würdet ihr euch folgende Fragen stellen:

  • Wie sieht das Problem für die Betroffenen in Äthiopien aus?
  • Welche Ängste, Bedürfnisse und Emotionen haben die Kleinbauern?

Gleichzeitig ist es wichtig, auch die Wünsche eurer potenziellen Kund*innen zu kennen: Welche Wünsche und Frustrationen haben sie, wenn es um Kaffee geht? Sprecht aber nicht nur mit Menschen, die bereits interessiert am Kauf sind oder schon bei euren Mitbewerber*innen Kaffee kaufen. Auch Personen, die ihr nicht als potenzielle Kund*innen in Betracht zieht, können spannende Einsichten liefern.

Tipp:
Neben Gesprächen und Interviews hat sich auch die sogenannte “Feldforschung durch Beobachtung” vor Ort bewährt. In unserem Beispiel ist das zwar mit einem gewissen Aufwand – und zwar einer Flugreise nach Äthiopien – verbunden. Es kann sich jedoch lohnen, denn so lässt sich am besten beobachten, wo die größten Herausforderungen der Kaffee-Kleinbauern liegen, wie sie mit Problemen umgehen und auf welche Lösungen sie zurückgreifen.

Diese ersten beiden Stufen bilden das Grundgerüst, auf dem der Rest der Design-Thinking-Methode aufbaut.

3. Sichtweisen definieren

Nachdem ihr in den ersten beiden Phasen das Problem und die Bedürfnisse der Menschen kennengelernt habt, definiert ihr im dritten Teil konkrete Standpunkte. Ihr fragt euch: Wie müssen wir das Beobachtete verstehen? Was haben wir eigentlich beobachtet? Dafür führt ihr alle bisherigen Erkenntnisse zusammen. Zum Abschluss dieser Phase formuliert ihr in klaren Worten das Problem, das ihr lösen wollt.

Tipp:
Indem ihr euch sogenannte “bahnbrechende Fragen” stellt, wird euer Geschäftsmodell greifbarer. Gemeint sind damit Fragen, die einerseits herausfordern, andererseits inspirieren und auf den ersten Blick nicht zu beantworten sind. Zum Beispiel: Wie können wir die Menschen in Äthiopien auch dann unterstützen, wenn wir mit dem Kaffee kein Geld verdienen?

4. Ideen finden

Nachdem ihr euch in den Phasen 1 bis 3 mit der Problemstellung beschäftigt habt, geht es jetzt in den “Lösungsraum”. Diese kreative Phase besteht aus drei Schritten:

  • Ideen sammeln: Ziel bei diesem Schritt ist es, basierend auf der Problemstellung so viele Lösungsideen wie möglich zu sammeln und zu entwickeln. Quantität geht dabei vor Qualität. Lasst euch dabei nicht von praktischen Erwägungen oder Erfahrungen einschränken – vielmehr lautet das Motto: Alles ist erlaubt.
  • Ideen bewerten: Nach dieser „wilden“ Phase ordnet ihr die einzelnen Ideen und prüft sie auf Machbarkeit. Ein weiterer Bewertungsmaßstab ist der Wert, den das Modell für eure Kund*innen, euer Unternehmen und euer Ökosystem schafft.
  • Idee(n) priorisieren: Legt euch auf eine oder auch mehrere Modelle fest, die ihr als beste Lösung empfindet.

Tipp:
Post-its, Filzstifte, Whiteboards und Klebepunkte kommen in dieser Phase zum Einsatz. Die zwei folgenden Kreativmethoden helfen dabei, zu einer wirklich guten Lösung zu gelangen:

  • Brainstorming: Im Team sammelt ihr alle Ideen auf Post-its oder digital mit einem Kreativ-Tool wie Miro oder Collaboard: Wie wäre es beispielsweise, mit einer Kooperative aus äthiopischen Kleinbauern zusammenzuarbeiten, diesen den Marktpreis für Rohkaffee zu zahlen und mögliche Gewinne in eine karitative Organisation zu stecken? Oder möchtet ihr euren Kaffee an bestehende Fair-Trade-Organisationen verkaufen und Gewinne in den Bau von Schulen in Äthiopien stecken? Wichtig ist, dass alle Ideen ordnen, diskutieren und bewerten.  
  • Bodystorming: Dabei begebt ihr euch beispielsweise in die Situation der äthiopischen Kleinbauern, denen ihr mit dem Kaffeeverkauf helfen möchtet. Haltet die Gefühle, Gedanken und Konflikte fest, die beim Rollenspiel entstehen.  

5. Prototyp entwickeln

In der fünften Phase entwickelt ihr aus der Idee eurer Wahl den Prototyp eines Geschäftsmodells. Das hilft euch, die entwickelte Idee rasch in eine visuell greifbare Form zu bringen.

Perfektion ist dabei nicht nötig, ja sogar unerwünscht: Vielmehr ist eine der Besonderheiten von Design Thinking, schnell und mit einfachsten Mitteln ein Testmodell zu entwickeln, um die Machbarkeit von Ideen zu prüfen und früh Feedback der Nutzenden einzuholen.

So könnt ihr eure Geschäftsmodell-Idee immer wieder adaptieren und optimieren – solange, bis eure Zielgruppe mit dem Ergebnis zufrieden ist.

Tipp:
In einem Storyboard könnt ihr euer Geschäftsmodell mithilfe von Skizzen oder Fotos darstellen: Was tun die Kaffeebauern? Wie sieht es vor Ort in Äthiopien aus? Wie ist der Ablauf, bis der Kaffee von Äthiopien nach Deutschland kommt? Und wie geht es den äthiopischen Bauern bevor, während und nachdem sie mit euch zusammengearbeitet haben?

6. Testen

In der sechsten Phase testet ihr den Prototypen, indem ihr Feedback von potenziellen Nutzenden und der Zielgruppe einholt. Kommt die Idee eines Fair-Trade-Kaffees aus Äthiopien bei Kund*innen in Deutschland gut an oder nicht? Was kann verbessert werden? Unterstützt euer Business-Modell langfristig die Menschen in Äthiopien dabei, wirtschaftlich besser aufgestellt zu sein? Je nach Feedback könnt ihr überlegen, an welcher Stelle ihr erneut in den Design-Thinking-Prozess einsteigen müsst.

Möglicherweise geht es nur darum, den Prototyp zu adaptieren. Vielleicht habt ihr euch aber auch in der Phase “Verstehen” auf ein Problem fokussiert, das gar nicht das dringendste der Zielgruppe ist. Wie oft ihr die Schleife wiederholt, hängt von den Ergebnissen und Rückmeldungen ab. Erst wenn der Prototyp eures Geschäftsmodells bei eurer Zielgruppe gut ankommt, solltet ihr die Lösung tatsächlich umsetzen.

Tipp:
In einem Test-Plan haltet ihr fest, was ihr mit wem und in welchem Zeitraum testen wollt. Meist reichen fünf Tester*innen aus, um wertvolle Erkenntnisse zu sammeln. Folgende Testmethoden eignen sich dafür:

  • Ein A/B-Test hilft dabei, die Wahl zwischen zwei verschiedenen Business-Modellen zu treffen. Testet beide Varianten einzeln und vergleicht die Rückmeldung.
  • In Nutzertests könnt ihr potenziellen Kund*innen von eurem Geschäftsmodell erzählen und sie fragen, was sie davon halten.

Und wie lange dauert das Ganze?

Im Design Thinking geht es darum, schnell Ergebnisse zu generieren. Einzelne Kreativprozesse können sogar nur 15 Minuten dauern. Wichtig ist, dass jede Phase einen klaren Anfang und ein Ende hat. Da die Prozesse außerdem ohne große Investitionen und externe Berater*innen umsetzbar sind, könnt ihr sofort loslegen. Ganz nach dem Motto von Design Thinking: “Stop talking – start making!”