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Wer wirkungsvoll im sozialen Sektor arbeiten will, kommt ohne Fundraising nicht weit. Doch die Welt des Fundraisings ist vielschichtig und kann für Non-Profits durchaus überfordernd sein. Fragen rund um potenzielle Spender*innen, den Umgang mit Provisionszahlungen, Ressourcenplanung und Vertrauens- und Ethikfragen bleiben häufig unbeantwortet. Tom Neukirchen kennt sich auf dem Fundraising-Markt aus und liefert Zahlen für eure persönlichen Aha-Momente.

Wie viele Non-Profits liefern sich den Wettbewerb auf dem Fundraising-Markt? 

Aktuell gibt es in Deutschland mehr als 600.000 gemeinnützige Organisationen. Immer mehr dieser Einrichtungen betreiben Fundraising. Hinzu kommen mittlerweile auch Schulen, Universitäten oder Krankenhäuser – ein Sektor, für den Fundraising vor 30 Jahren noch unüblich war. Dementsprechend gesättigt ist der heutige Fundraising-Markt – und er unterliegt einem hohen Wettbewerbsdruck.

Keine noch so kleine Nische scheint unbesetzt. Ganz zu schweigen von großen Märkten wie Kinder-, Tier- und Umweltschutz, wo viele Organisationen unterwegs sind, wenn auch mit unterschiedlichen Akzentuierungen und Zielgruppen.

Wie viel spendet die Bevölkerung?   

Im Jahr 2022 spendeten laut Spendenmonitor des Deutschen Fundraising Verbands 53,5 Prozent der Bevölkerung (ohne Großspenden und Erbschaften) insgesamt rund 6,5 Milliarden Euro für einen gemeinnützigen Zweck. Ein Teil davon tut das zwar nicht regelmäßig, aber zu bestimmten Anlässen – zum Beispiel beim plötzlichen Eintritt von großen Naturkatastrophen.

Inklusive Großspenden und Erbschaften sind es jährlich geschätzt zwölf Milliarden Euro. Während der Anteil an Großspenden und Erbschaften am Spendenmarkt kontinuierlich zunimmt, nimmt der Anteil der Kleinspenden ab.

Wichtig zu wissen: Für viele Organisationen sind Fördermittel von Bund, Krankenkassen, EU oder Unternehmen die größere Einnahmequelle. Sie sind also glücklicherweise nicht gänzlich von Spenden der Bevölkerung abhängig. 

Was kostet es, eine*n Spender*in zu gewinnen? 

Die Akquise von Spender*innen funktioniert für eine Non-Profit in den meisten Fällen nicht kostenlos. Daher ist es sinnvoll, neben personellen Ressourcen Geld für gezielte Marketingmaßnahmen in die Hand zu nehmen – beispielsweise für eine Spendenkampagne. Die tatsächliche Höhe der Spendengewinnungskosten hängt in der Regel vom Gewinnungsweg (z.B. durch Straßenwerbung, Online-Werbung oder Direktmarketing) und der Art des Spendens ab. Es ist teurer, Dauerspender*innen bzw. Pat*innen zu gewinnen als einmalige Spendende.

Praxisbeispiel: Die Organisation PLAN International muss im Schnitt 330 Euro für die Gewinnung einer Patenschaft investieren. Das lohnt sich, denn der Ertrag durch die Patenschaft liegt für die Organisation nach zehn Jahren bei 3.600 Euro.

Am wenigsten Ressourcen (100 bis 150 Euro) kostet es, Einmal-Spender*innen zu gewinnen. Dass auf eine Einmal-Spende eine zweite Spende folgt, passiert in weniger als 50 Prozent der Fälle. Dafür sind zudem weitere Ressourcen und Bindungsmaßnamen nötig.  

Wie hoch dürfen die Werbe- und Verwaltungskosten sein?   

Einen Höchstbetrag für Werbe- und Verwaltungskosten gibt es beim Fundraising nicht. Die Rechtsprechung verlangt aber, dass diese Kosten dauerhaft unter 50 Prozent liegen. Ausnahmen bilden die Aufbauphase des Fundraisings und kurzfristige Abweichungen, die z.B. durch teure Investitionen entstehen.

Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) vergibt das Spendensiegel nur an Organisationen, deren Werbe- und Verwaltungskosten unter 30 Prozent liegen. Unter zehn Prozent Werbe- und Verwaltungskosten gelten beim DZI als niedrig und bis zu 20 Prozent als angemessen. Viele reife Organisationen, die Fundraising seit Jahren betreiben, liegen knapp unter 20 Prozent. Aber aufgepasst: Das Spendensiegel produziert wiederum zusätzliche Verwaltungskosten.

231 Organisationen haben sich im Jahr 2022 dennoch für das Spendensiegel des DZI entschieden, um bei Spender*innen und in der Öffentlichkeit glaubwürdiger und vertrauensvoller aufzutreten.  

Wie hoch ist eine Großspende? 

Für die Höhe einer Großspende gibt es keinen allgemeinen Richtwert, denn jede Non-Profit definiert selbst, welcher Spendenbetrag als hoch gilt. Bei vielen gemeinnützigen Organisationen liegt die Großspenden-Schwelle aber bei rund 1.000 Euro. In eine engmaschige, persönliche und wertschätzende Betreuung der Großspender*innen zu investieren kostet zwar verhältnismäßig viele Ressourcen, zahlt sich aber am Ende aus: Großspenden sind im Schnitt zehnmal höher als die vorausgegangenen Spendengewinnungskosten.

Große Organisationen unterteilen Großspender*innen teilweise in weitere Kategorien und Benennungen, z.B. in “über 1.000 Euro” (Major Donor), “über 10.000 Euro” (Top Donor) und “über 100.000 Euro” (High Donor).   

Was verdient ein*e Fundraiser*in?

Die Gehaltsspanne fürs Fundraising ist immens und hängt immer von der finanziellen Aufstellung der Organisation ab: Vom Stundenlohn knapp über dem gesetzlichen Minimum in sehr kleinen Non-Profits bis hin zu überdurchschnittlich hoch bezahlten Fundraising-Leitungsstellen in großen Organisationen kann alles dabei sein.

In vielen Teilen werden Fundraising-Gehälter an die Richtlinien des öffentlichen Dienstes angepasst. Übermäßig reich wird man als Fundraiser*in also in der Regel nicht, dafür ist daran aber die sinnstiftende Arbeit für eine bessere Welt geknüpft.  

Wie viel Provision ist im Fundraising üblich? 

Die klare Antwort lautet: null Prozent. Die allermeisten spendensammelnden Non-Profits schließen die Auszahlung von Provisionen an Fundraiser*innen sogar aus verschiedenen Gründen aus: So soll beispielsweise verhindert werden, dass die Möglichkeit auf Provisionszahlungen die Fundraiser*innen unter Druck setzt. Das würde nicht nur den Fundraiser*innen schaden, sondern überträgt sich im schlimmsten Fall auch auf die potenziellen Spender*innen, die unter Druck nicht spenden möchten.

Es kann auch vorkommen, dass ein*e provisionsbezahlte Fundraiser*in bei der Vermittlung einer Millionenspende so viel verdient, dass dieser hohe Betrag weder vor den Teamkolleg*innen, noch vor den Spendenden und der Öffentlichkeit zu rechtfertigen wäre. In wenigen Ausnahmebereichen werden dennoch Provisionen ausbezahlt.

Praxisbeispiel: Die Spendenplattform betterplace.org behält 2,7 Prozent der für Dritte gespendeten Gelder für sich, um den Betrieb der Plattform zu finanzieren. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte technische Provision, die zumindest keine einzelnen Mitarbeitenden unter Druck setzt und transparent an die Öffentlichkeit ausgewiesen wird. Technische Provisionen liegen meistens unter fünf Prozent und sind im Non-Profit-Sektor durchaus üblich.

Im Bereich der Straßenwerbung erhalten die Personen, die potenzielle Neuspender*innen anwerben, neben ihrem Grundgehalt häufig auch eine Erfolgsprämie. Die meisten Organisationen, die diese Leistung anbieten, zahlen allerdings in der Regel mehr Grundgehalt als Provision – damit motivieren sie, ohne den schädlichen Druck auszulösen. 

Wie viele ethische Regeln gibt es im Fundraising? 

Wer Fundraising betreibt, muss sich früher oder später auch mit ethischen Fragen auseinandersetzen. Als Organisation, die Spenden empfangen möchte, solltet ihr transparent kommunizieren, dass ihr eine ethisch vertretbare Fundraising-Praxis betriebt. Denn die Voraussetzung für Spenden ist das Vertrauen der Spender*innen in eure Organisation.

Legt beispielsweise offen, dass ihr prinzipiell keinen moralischen oder sozialen Druck auf die Spendenden ausübt und stets bereit seid, wahrheitsgemäße und umfassende Berichterstattung zur Arbeit eurer Organisation zu teilen.

Tipp: Der Deutsche Fundraising Verband hat neun Grundregeln für eine gute, ethische Fundraising-Praxis formuliert, die dabei helfen, zukünftigen Förder*innen von eurer Seriosität zu überzeugen. Ihr könnt die Regeln als Basis nutzen und entsprechend eurer persönlichen Haltung ein eigenes Regelwerk entwickeln. Die Fragen der Ethik sollten bei jeder einzelnen Fundraising-Maßnahme geprüft werden.

Andersherum könnt ihr auch für euch selbst ethische Grundsätze festlegen, nach denen ihr entscheidet, ob ihr Spenden annehmen wollt. Viele Non-Profits entwickeln dafür einen sogenannten Ethik-Kodex, der überprüft, ob die geldgebende Institution gegen wichtige ethische Grundsätze verstößt. So nehmen einige Organisationen beispielsweise keine Spenden von Konzernen an, die in Rüstungsmaßnahmen verwickelt sind.

Eine hilfreiche Testfrage, ob ihr euch mit der Spendenannahme einer bestimmten Institution wohlfühlt, lautet: Wie würden wir uns fühlen, wenn die Nachrichten darüber berichten? 

Die wichtigsten Fakten noch einmal in Kürze:  

  • Es gibt mehr als 600.000 gemeinnützige Organisationen. Am Fundraising-Markt herrscht ein reger Wettbewerb, der jährlich rund zwölf Milliarden Euro Spenden von Privatpersonen umfasst.
  • Werbe- und Verwaltungskosten dürfen zu Beginn des Fundraisings hoch sein, müssen sich im Laufe der Zeit aber unter 50 Prozent einpendeln und sollten langfristig möglichst unter 20 Prozent liegen.  
  • Großspenden und Erbschaften werden immer wichtiger und sollten beim Fundraising von Anfang an mitgedacht werden. Die individuelle Betreuung von Großspender*innen ist besonders wichtig. 
  • Das Gehalt von Fundraiser*innen sollte sich an den Richtlinien des öffentlichen Dienstes orientieren. Professionelle Fundraisende lehnen Provisionszahlungen ab und denken stets die ethische Dimension mit, damit eine Organisation nicht an Glaubwürdigkeit verliert.

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