Teil 2 von 4: Es kann herausfordernd sein, öffentliche Fördermittel zu beantragen. Welche Kriterien müssen eure Organisation und euer Projekt erfüllen? Wo gibt es Unterstützung und wie vermeidet ihr typische Stolperfallen? Förderexpertin Heike Kraack-Tichy gibt praxisnahe Antworten.
4-teilige Serie: Neben Spenden und Stiftungen sind öffentliche Fördermittel für viele Non-Profits essenziell. Heike Kraack-Tichy, Geschäftsführerin von emcra – Co-shaping Europe und ehrenamtliche Vize-Vorsitzende des Deutschen Fundraising Verbands, gibt Insider-Tipps.
Welche Kriterien muss eine Organisation erfüllen, um öffentliche Fördermittel beantragen zu können?
Das sind gar nicht so viele. Und sie sind in den jeweiligen Förderausschreibungen bzw. Förderrichtlinien in der Regel genau dokumentiert.
- Zunächst solltet ihr prüfen, ob das Fördergebiet und die jeweils förderfähigen Organisationsformen zu euch passen. Es geht ja darum, mit möglichst wenig Aufwand eine Go- bzw. No-Go-Entscheidung treffen zu können.
- Alle Förderprogramme, die gemeinnützige Akteur*innen explizit als potenzielle oder sogar ausschließliche Fördermittelempfänger benennen, kommen für eine Antragstellung infrage. Aber Achtung: Auch wenn eine Richtlinie auf den ersten Blick nur für privatwirtschaftliche Akteur*innen gedacht scheint, könnten gemeinnützige Organisationen dennoch förderberechtigt sein. Solange der gemeinnützige Sektor nicht explizit ausgeschlossen ist, lohnt sich eine genauere Prüfung.
- Die Fördermitteldatenbank des Bundes zeigt, dass insbesondere Förderprogramme aus Wirtschaftsressorts den Dritten Sektor nicht explizit berücksichtigen. Das Bundeswirtschaftsministerium ist inzwischen offener, aber diese Offenheit ist noch nicht auf jeder Webseite oder in jeder Datenbank erkennbar.
- Viele Wirtschaftsressorts berücksichtigen den gemeinnützigen Sektor nicht explizit in ihren Programmen. Das Bundeswirtschaftsministerium ist inzwischen offener, aber nicht alle Ausschreibungen spiegeln das wider.
- Darüber hinaus wird bei der Antragstellung in der Regel überprüft, ob die finanzielle Tragfähigkeit einer NGO ausreicht, um das in Aussicht gestellte Förderbudget zu stemmen. Wenn ihr eine junge Organisation ohne umfangreiche finanzielle Reserven seid, dann ist es besser, sich zunächst für kleinere Projektvolumina zu bewerben.
- Sobald ein Förderprojekt bewilligt ist, müssen auch zivilgesellschaftliche Organisationen in der Lage sein, die je nach Umfang und Förderbudget durchaus sehr unterschiedlich anspruchsvoll ausfallenden Compliance-Anforderungen zu erfüllen (u. a. Stichwort Datenschutz).
Und noch ein Hinweis aus meiner persönlichen Beratungspraxis:
Wir bekommen immer wieder Anfragen von Organisationen, die ohne feste Mitarbeitende großvolumige geförderte Projekte beantragen möchten. Solche Organisationen haben häufig eher Netzwerkcharakter und möchten diesen – meist aus guten Gründen – nicht aufgeben.
In diesem Fall sind öffentliche Fördermittel in der Regel keine vielversprechende Option. Denn bei staatlicher Förderung benötigt ihr meist hauptamtliche Strukturen mit einem festen Bestand an Mitarbeitenden, deren Gehalt aus diesen Mitteln übrigens teilweise mitfinanziert werden kann. Es kommt also auf eine gewisse „institutional readiness“ an, ohne die im Bereich öffentliche Förderung wenig geht.
Hier geht’s zu Teil 1, 3 & 4:
Inwiefern unterscheidet sich ein Förderantrag für öffentliche Mittel von anderen Förderanträgen? Was muss ich beachten?
Ab über sechsstelligen Summen sind öffentliche Anträge komplexer als Stiftungsanträge. Oft gibt es zwei Stufen: erst eine Concept Note oder Interessenbekundung, dann ein paar Wochen oder Monate später die Aufforderung, einen Vollantrag einzureichen.
Generell gilt: Wer Erfahrung mit Stiftungsanträgen hat oder bereits größere Stiftungsprojekte erfolgreich umgesetzt hat, ist dafür prädestiniert, auch gute öffentliche Förderprojekte zu konzipieren, Förderanträge zu schreiben und diese Projekte erfolgreich zu implementieren.
Doch bei öffentlichen Fördermitteln gibt es meist einige formale Kriterien, die recht penibel beachtet werden sollten – andernfalls droht eine Ablehnung aus rein formalen Gründen.
Eine kleine Anekdote: Mein Team und ich durften einmal für die EU-Kommission die komplette Verwaltung des Förderprogramms begleiten. Damals wurden viele gute Projektideen allein aufgrund formaler Fehler abgelehnt – es waren tatsächlich zwischen 60 bis 80 Prozent der Anträge in verschiedenen Ausschreibungen. Das war vor mehr als 20 Jahren. In der Zwischenzeit ist glücklicherweise viel passiert.
Inhaltlich ist das wichtigste Kriterium, dass euer Projekt exakt zu den Vergabekriterien des Förderprogramms passt. Wer Förderkriterien ignoriert, hat kaum eine Chance auf Bewilligung. Wer hingegen geschickt die eigenen Ziele mit denen des Programms verknüpft, kann seinen Spielraum in der Projektentwicklung erweitern. Ich habe bei unseren emcra-Anträgen die Erkenntnis gewonnen, dass mit etwas Erfahrung und Phantasie deutlich mehr geht, als beim ersten Blick auf die Vergabekriterien eines Förderprogramms möglich erscheint.
Ich möchte auch betonen, dass Antragstellende in öffentlichen Förderprogrammen meist in einem deutlich höheren Wettbewerb stehen als beispielsweise bei Stiftungsförderungen. Der persönliche Kontakt spielt eine geringere Rolle – stattdessen entscheidet eine formale Bewertung mit Punktesystem. Nicht bei allen Programmen ist der Wettbewerb so groß wie zum Beispiel beim EU- Forschungsförderungsprogramm Horizont Europa. Ziel eines jeden Antrags sollte jedoch sein, so viele Bewertungspunkte wie möglich für den Projektantrag zu erreichen. Dabei sind alle inhaltlichen Bewertungskriterien wichtig.
Wenn ihr euren Förderantrag entlang der in der Regel gut zugänglichen inhaltlichen Bewertungskriterien optimiert, erhöht ihr die Aussicht auf einen positiven Förderbescheid. Wer strukturiert arbeiten und schreiben kann, ist dabei eindeutig im Vorteil.
Wie wird die Höhe der Fördermittel bestimmt und welche Faktoren beeinflussen die Entscheidung über die Förderung?
Einige Entscheidungskriterien wurden bereits genannt. Wichtig ist vor allem:
- Die Antragsfrist muss eingehalten werden – fangt deshalb frühzeitig an! Als Faustregel gilt: Sobald ihr eine Projektgröße ab einem sechsstelligen Projektbudget anvisiert, sind sechs Monate Vorlauf zu empfehlen. Das gilt insbesondere, wenn ihr euer Projekt mit Partner*innen konzipiert und einreicht. Bei erfahrenen Antragstellenden und einer eingespielten Partnerschaft können auch mal drei Monate ausreichend sein. Aber je mehr Zeit bleibt, desto besser. Dann lassen sich auch die normalen Tagesaktivitäten und ein größerer Projektantrag gut miteinander vereinbaren. Ganz auf den Antrag und das Projektbudget fokussieren wird sich der oder die hauptverantwortliche Antragsschreiber*in in der Regel erst in den letzten drei bis vier Woche vor der Deadline.
- Das mögliche Projektbudget ist von der Mindest- und Höchstsumme abhängig, die meistens in der Förderausschreibung genannt werden. Beim Projektbudget empfehle ich, ausgehend von eurem Projektumfang, so realistisch und genau wie möglich zu kalkulieren – nicht zu viel und nicht zu wenig. Wer zu niedrig plant, gefährdet den Projekterfolg. Wer zu hoch ansetzt, riskiert eine Ablehnung oder Kürzung des Budgets. Wer realistisch kalkuliert und diese Kalkulation im Antrag mit guten Argumenten unterlegt, kann davon ausgehen, dass das Budget ohne Kürzung durchgeht.
- Die Entscheidung über die Förderung kann je nach Ebene unterschiedlich ausfallen.
Bei EU- und Bundesförderungen zählen Strategie und belastbare Zahlen. Bei Ländern und Kommunen sind regionale Netzwerke, nachgewiesene Erfolge und die Ansässigkeit in der jeweiligen Region oft entscheidend.
Ein Beispiel: Meine Organisation sollte als in Berlin ansässiger Bildungsanbieter nicht versuchen, in NRW eine regionale Förderung zu bekommen. Selbst, wenn nicht dezidiert in einer Ausschreibung gefordert wird, dass die Fördermittelempfänger ortsansässig sein müssen, wären unsere Chancen gering. Die verantwortlichen Akteur*innen würden fast immer einen regional bekannten Bildungsanbieter vorziehen, der vor Ort gut vernetzt ist und bereits über längere Zeit in der Region sichtbar gute Arbeit leistet.
Gibt es Möglichkeiten, (kostenlose) Unterstützung bei der Antragsstellung oder beim Schreiben eines Antrags zu erhalten?
Kostenlose Beratung könnt ihr bis zu einem gewissen Maß bei der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) oder bei speziellen Beratungsstellen für EU- und Bundesprogramme wie CERV Deutschland anfragen.
Es gibt nur wenige Förderprogramme, die Antragstellende dabei unterstützen, ein internationales Team aufzubauen und ein komplexes EU-Projekt zu planen. Ausnahmen sind z. B. INTERREG B (grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa) oder Horizont Europa (Forschungsförderung), aber auch diese sind nicht überall in Deutschland verfügbar.
Tipp: Im Internet findet ihr viele Materialien und Tools, die euch bei der Antragstellung unterstützen. Ich empfehle euch besonders die kostenfreien Angebote des EU-Projektes upgrade2europe. Mithilfe des Selbstanalyse-Tools könnt ihr recht schnell feststellen, wie gut eure Organisation auf eine Antragstellung vorbereitet ist. Im upgrade2europe Praxishandbuch wird u. a. Schritt-für Schritt erklärt, wie ihr ein komplexes Förderprojekt mit Hilfe der Projektentwicklungsmethode LogFrame konzipiert.
Trotz aller Unterstützungsmöglichkeiten müsst ihr Anträge weitgehend selbst schreiben. Wer regelmäßig Fördermittel nutzt, sollte internes Know-how aufbauen bzw. regelmäßige Antragsteller*innen beschäftigen.
Ich persönlich schreibe auch nur ausnahmsweise einen vollständigen Antrag im Auftrag externer Organisationen. Bei komplexen Projekten ist es mir wichtig, dass die Organisation selbst dahintersteht. Das heißt, die Personen, die den Antrag stellen, sollten später auch an der Umsetzung beteiligt sein. Sonst kann es passieren, dass ein bewilligtes Projekt vorliegt, aber intern niemand wirklich daran arbeiten möchte – ein Problem, das oft auftritt, wenn man sich zu stark auf externe Berater*innen verlässt.
Eine wichtige Frage, die sich stellt: Wie können sich Organisationen der Zivilgesellschaft und Sozialwirtschaft dahin entwickeln können, dass sie möglichst eigenverantwortlich im Bereich öffentliche Förderung erfolgreich sind?
Der beste Weg ist die Teilnahme an möglichst qualitätsgeprüften Weiterbildungen. So baut ihr Schritt für Schritt das nötige Wissen in eurer Organisation auf.
Ein großer Vorteil: Die Teilnahme an diesen Weiterbildungen kann bis zu 100 Prozent gefördert werden. Außerdem kann das Gehalt eurer festangestellten Mitarbeitenden während der Weiterbildung mit bis zu 75 Prozent bezuschusst werden. Diese Förderung ist sehr attraktiv – gemeinnützige Organisationen und ihre Führungskräfte sollten sie unbedingt kennen und nutzen (Qualifizierungschancengesetz).
Was sind Fehler oder Stolpersteine, die bei der Beantragung öffentlicher Fördermittel auftreten können, und wie kann ich sie vermeiden?
- Man kann es nicht oft genug betonen: Beginnt nicht zu spät! Nehmt euch ausreichend Zeit und behaltet die Antragsdeadline immer im Blick.
- Wählt eure Projektpartner*innen sorgfältig aus und stellt sicher, dass sie das nötige Know-how für die Umsetzung mitbringen. Viele Organisationen beteiligen sich gerne an Förderprojekten – ob sie dann auch zuverlässig und qualitativ gut arbeiten, ist jedoch eine andere Frage.
- Das Schreiben von Förderanträgen ganz zu vermeiden, weil es zu bürokratisch erscheint, ist keine Lösung. Interessanterweise kommt diese Einschätzung oft von Organisationen, die selbst bürokratisch arbeiten. Der Aufwand ist nicht zu unterschätzen, aber meist lohnt er sich.
- Unterschätzt die bürokratischen Anforderungen aber auch nicht. Sätze wie „Ich habe von einer spannenden Förderung gehört, die Deadline ist in einem Monat – das schaffst du sicher, oder?“ kommen zwar mittlerweile seltener vor, aber hin und wieder höre ich sie doch noch.
- Es ist nicht ratsam, gegenüber Förderstellen überheblich aufzutreten, als stünde einem die Förderung automatisch zu. Dort arbeiten Menschen, die ihren Job in der Regel gut machen und dafür Respekt verdienen.
- Zu viel Respekt vor den Förderstellen ist ebenso unangebracht. Gemeinnützige Organisationen haben viel zu bieten und sollten ihre Ideen selbstbewusst präsentieren. Der Staat und die Demokratie brauchen uns.
Zwei Dinge sind wichtig: Erstens braucht ihr eine stabile Struktur, um Fördermittel sinnvoll zu nutzen. Zweitens sollte eure Strategie klar durchdacht sein. Wer beim ersten Punkt zu nachlässig ist, unterschätzt oft die Auswirkungen öffentlicher Fördermittel auf die Organisation, sobald die Mittel fließen. Das hinterlässt den falschen Eindruck, dass öffentliche Förderung nicht funktioniert.