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Teil 1 von 4: Für gemeinnützige Organisationen sind öffentliche Fördermittel oft unverzichtbar. Doch wie findet man die passenden Programme, und welche Vorteile bieten sie? Förderexpertin Heike Kraack-Tichy gibt praxisnahe Tipps.

Neben privaten Quellen wie Spenden und Stiftungen sind öffentliche Fördermittel für viele Non-Profits eine wichtige Finanzierungssäule. Heike Kraack-Tichy weiß, worauf es dabei ankommt: Sie ist Geschäftsführerin des Berliner Bildungs- und Beratungsanbieters emcra – Co-shaping Europe und ehrenamtliche stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Fundraising Verband e. V. In unserer 4-teiligen Serie gibt sie Insider-Tipps.

Was sind die Vorteile öffentlicher Fördermittel gegenüber alternativen Finanzquellen?

Es gibt einige Vorteile öffentlicher Förderung gegenüber alternativen Finanzquellen. Aber bevor ich darauf eingehe, möchte ich hervorheben, wie wichtig es ist, verschiedene Finanzierungsquellen, die gemeinnützigen Organisationen zur Verfügung stehen, zusammen zu betrachten. Denn da, wo sich zum Beispiel freie private Spendengelder oder Stiftungsmittel mit öffentlichen Geldern sinnvoll verbinden lassen, entstehen meist die größten positiven Effekte. So kofinanzieren beispielsweise viele private Stiftungen gerne öffentlich geförderte Projekte. Damit lässt sich auch gut der fast immer bei öffentlicher Förderung notwendige Eigenanteil finanzieren und eine 100-Prozent-Finanzierung für diese Projekte erreichen.

Weitere Argumente für öffentliche Förderung:

  1. Erstens steigert öffentliche Förderung, wenn sie neben weiteren Finanzierungsquellen systematisch genutzt wird, die Resilienz von gemeinnützigen Organisationen. Man wird zum Beispiel von Spendeneinnahmen unabhängiger. Mit öffentlicher Förderung als zusätzliche Finanzierungssäule ist gewährleistet, dass relevante Finanzmittel der Organisation zuverlässig fließen, wenn, beispielsweise aufgrund wirtschaftlicher Einbrüche, das Spendenaufkommen zeitweise zurückgeht.

    Meine Erfahrung zeigt: In Krisen bleibt der Fluss einmal bewilligter öffentlicher Mittel stabil – das kann wichtig sein, wenn überraschende Ereignisse wie die weltweite Pandemie vor einigen Jahren zu Unsicherheiten in anderen Finanzierungssäulen führen. Stichwort Krisen: Wenn gemeinnützige Akteur*innen ihre Reaktionsfähigkeit im Hinblick auf unvorhergesehene Krisen wie z. B. der Überfall Russlands auf die Ukraine strategisch aufbauen, dann können sie schnell im Sinne ihrer Kernzielgruppe aktiv werden und zudem damit rechnen, recht zeitnah staatliche Förderung für diese Aktivitäten zu erhalten.
  2. Zweitens ermöglichen öffentliche Fördermittel auch im gemeinnützigen Sektor notwendige Innovationen. Vielen Organisationen fehlen die dafür dringend benötigten Mittel. Wenn man zudem berücksichtigt, dass zum Beispiel im ESF+ (Europäischer Sozialfonds Plus) oder im AMIF (Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds) mittlerweile 20 bis 40 Prozent der Förderbudgets als pauschale Overheadunterstützung ausgereicht werden, dann sind diese Förderungen für zivilgesellschaftliche Organisationen und die Sozialwirtschaft zunehmend attraktiv. Ich erinnere mich noch gut an die Nullerjahre, als 7 Prozent Overhead bei vielen öffentlichen Förderungen, u. a. bei der EU, das höchste der Möglichkeiten war.
  3. Drittens bietet der föderale Staatsaufbau Deutschlands einen Vorteil für alle, die sich für öffentliche Förderung interessieren. Vorausgesetzt, man ist in der Lage, die sich bietenden Möglichkeiten zu nutzen und flexibel auf das vielfältige Angebot zu reagieren. Gemeinnützigen Organisationen stehen öffentliche Mittel auf der Bundes-, Landes- und kommunalen Ebene zur Verfügung. Hinzu kommt das immer wichtiger gewordene Förderangebot der EU. Gibt es also keine guten Angebote im eigenen Bundesland – zum Beispiel weil die aktuelle Regierung andere Prioritäten setzt, dann lohnt sich oftmals der Blick nach Berlin oder Brüssel.

In vielen Bereichen verfolgen öffentliche Akteur*innen ähnliche Ziele wie unsere Zivilgesellschaft – also schaut in den Themengebieten Demokratie, Jugend, Kultur, Bildung, Integration, Soziales, Umwelt etc. ganz bewusst nach spannenden Förderprogrammen oder neuen Ausschreibungen. Dieser Hinweis bleibt auch in Zeiten, in denen der Staat spart, weiterhin gültig.

Wer sich einmal die Mühe macht, über die Grenzen unseres Landes zu schauen, um die Herausforderungen unserer gemeinnützigen Akteur*innen mit denen in anderen europäischen Ländern zu vergleichen, der wird trotz aller Missstände, die es auch bei uns gibt, zu einer eher positiven Bewertung der Finanzierungsangebote der öffentlichen Hand in Deutschland kommen.

Welche Arten von Unterstützungen gibt es für gemeinnützige Organisationen?

Es gibt zum Beispiel zinsvergünstigte Kredite, aber die mit Abstand wichtigste Förderart für gemeinnützige Organisationen sind Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Bekannte Förderprogramme – egal, ob in Deutschland oder von der EU – setzen überwiegend auf Projektförderung, also Förderprojekte mit einem klar definierten Ziel, einem fixen Budget und feststehendem Anfangs- und Enddatum. Für diese Art der Förderung gibt es in der Regel eine ebenfalls fixe Antragsfrist, bis zu der ein mehr oder weniger umfangreicher Förderantrag eingereicht werden muss.

Teilweise wird mit Hilfe des sogenannten Windhundverfahrens gearbeitet. Hier heißt die Devise: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Schnell und trotzdem professionell auf derartige Ausschreibungen reagieren zu können, ist das A und O – insbesondere, wenn es sich um eine Förderung handelt, die für viele Organisationen von Interesse ist.

Neben diesen klassischen Förderangeboten findet man weitere interessante, meist weniger arbeitsaufwendige Förderangebote zum Beispiel im Bereich der Personalförderung. Wenn gemeinnützige Organisationen neue Mitarbeitende einstellen und diese nicht über alle Qualifikationen verfügen, die für die in Aussicht gestellte Stelle benötigt werden (Stichwort: Qualifizierungschancengesetz), dann reicht häufig ein nicht sehr arbeitsintensiver Förderantrag, um die benötigte gezielte Unterstützung zu erhalten.

Hier noch ein etwas ausführlicherer Hinweis zum Thema Projektförderung:
Viele gemeinnützige Organisationen und sozialwirtschaftliche Akteur*innen wünschen sich eine stärkere institutionelle Förderung durch staatliche Stellen. Das könnte zu einer Verstetigung ihrer Arbeit führen und würde die wiederkehrende aufwendige Projektantragstellung weniger notwendig machen.

So verständlich dieser Wunsch ist, denke ich, dass institutionelle Förderung auch in Zukunft weiter die Ausnahme bleiben wird. Der Grund ist recht einfach: Jede (gesetzlich) festgelegte Förderung – und in Deutschland gibt es davon insbesondere in den Sozialgesetzbüchern eine große Zahl – limitiert den zukünftigen Spielraum der öffentlichen Haushalte. Zudem ist Projektförderung für die Politik deutlich interessanter, weil die jeweils politisch Verantwortlichen damit Bereiche unterstützen können, die ihrer politischen Überzeugung (und ihrer Klientel) am meisten nützen.

Es führt kein Weg daran vorbei: Gemeinnützige Akteur*innen sollten intern die notwendigen Grundlagen schaffen, um mit öffentlicher Projektförderung möglichst effektiv arbeiten zu können. Meine Erfahrung aus mehr als 20 Jahren Arbeit mit Akteur*innen aus dem Dritten Sektor zeigt, dass dies möglich ist, wenn man sich gut aufstellt und nicht kurz vor Ende eines Projektes damit beginnt, sich über eine Folgefinanzierung Gedanken zu machen.

Eine Verstetigung der Arbeit ist auch mit Projektförderung möglich. Wir waren zusammen mit weiteren erfahrenen Fördermittelberatenden u. a. bei den Houses of Resources daran beteiligt, eine mittel- bis langfristige Förderstrategie für diese wichtigen Player im Bereich Integration und Migration in Deutschland zu erarbeiten. Die Arbeit hat bereits erste sichtbare Früchte getragen.

Wie finde ich heraus, welche Fördermöglichkeiten für mein Projekt oder meine Organisation relevant sind?

Da gibt es zwei besonders relevante Wege. Und einen Dritten, der oftmals zuerst genannt wird, den ich aber nur zusätzlich zu den ersten beiden empfehlen möchte.

An erster Stelle benötigen alle Organisationen, die öffentliche Förderung nutzen möchten, zumindest ein Grundverständnis der Strukturen, Charakteristika und Rahmenbedingungen des öffentlichen Fördermittelsektors. Kleine Organisationen, die die ersten Schritte gehen möchten, sollten zumindest ein gut strukturiertes Grundlagenseminar besuchen. Unter einem Seminartag wird das in der Regel nicht möglich sein. Achtet auf die Erfahrungen des Anbieters in verschiedenen Förderbereichen und informiert euch, welche Dozent*innen mit welchen Praxiserfahrungen ihr Wissen teilen.

Aufbauend auf einer möglichst breit angelegten Grundlagenschulung (das bedeutet, es werden sowohl nationale als auch EU-Förderungen thematisiert und deren jeweilige Förderlogiken vorgestellt) können Organisationen dann informiert entscheiden, in welche Richtung die weitere Reise gehen soll. Der erste Einstieg kostet nicht viel und die Gefahr, sich in dem – nur für Laien – undurchsichtigen „Förderdschungel“ zu verzetteln, ist nicht mehr so groß.

Der zweite Königsweg in die Förderwelt ist die Vernetzung mit relevanten Playern und Know-how-Trägern – sowohl mit Vertreter*innen der beratenden Berufe inklusive deren Verbandsstrukturen als auch mit Personen, die für fördermittelvergebende Stellen tätig sind. Es gibt eine Vielzahl kostenfreier Netzwerk-Events, die den Einstieg in die öffentliche Förderwelt deutlich erleichtern.

Die Fachgruppe Fördermittel beim Deutschen Fundraising Verband, die ich mit zwei erfahrenden Kolleg*innen leiten darf, bietet regelmäßig Online-Treffen an, die auch für Nicht-Mitglieder zugänglich sind. Natürlich freuen wir uns auch über jedes neue Mitglied im Verband, weil unsere organisierte Fördermittel- und Fundraising-Szene dadurch immer schlagkräftiger wird. Bei emcra bieten wir ebenfalls monatliche kostenfreie Netzwerkevents an, bei denen wir jeweils ein spezifisches Thema für unsere Alumni und für alle weiteren Interessierten vorstellen und gemeinsam diskutieren. Daraus entstehen oftmals interessante Initiativen.

Wenn Organisationen ihre internen Fachexpert*innen nicht nur in Fach- sondern auch in den jeweils relevanten Fördermittel-Netzwerken mitwirken lassen, dann werden diese Organisationen wichtige Entwicklungen im Bereich öffentliche Förderung manchmal sogar noch vor deren Veröffentlichung in den einschlägigen Amtsblättern mitbekommen.

Ich empfehle, alle Informationen, die ihr auf den oben genannten Wegen erhaltet, systematisch in einem organisationsinternen Antragskalender zu dokumentieren. Dann verliert ihr nicht den Überblick und bekommt eine speziell für eure Organisation erarbeitete Wissensgrundlage, mit deren Hilfe ihr strategische Entscheidungen treffen könnt – zum Beispiel, mit welchem Förderprogramm ihr anfangen solltet und wo es alternative Ansätze gibt, wenn euer erster Antrag nicht positiv beschieden wird.

Nach meiner Erfahrung beschäftigt jede Organisation, die das Förderwesen intern professionalisiert hat, einige Spezialist*innen, die sich auf die Förderangebote konzentrieren, die regelmäßig von der Organisation genutzt werden. Bei allen Projekten, die über das Tagesgeschäft hinaus gehen, bietet sich die punktuelle Zusammenarbeit mit spezialisierten Fördermittelberater*innen an.

Jetzt noch zu Punkt drei: Datenbanken und Recherche im Internet. Für alle, die sich bereits gut auskennen, ist dieser Weg eine ganz normale Vorgehensweise. Aber Personen oder Organisationen, die noch nicht über die nötige inhaltliche Reife verfügen, gehen in der Unübersichtlichkeit der vorhandenen Informationsangebote in der Regel unter.

Mit diesen Gedanken im Hinterkopf könnt ihr im Netz und in einschlägigen Förderdatenbanken recherchieren. Für den gemeinnützigen Bereich hat die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE), die von drei Bundesministerien finanziert wird, in den vergangenen Jahren eine spezifische Datenbank aufgebaut. Das ist für den gemeinnützigen Sektor die erste Adresse. Die DSEE bietet übrigens auch sehr einfach zugängliche Mini-Förderungen (2.500 Euro; Stand September 2024). Am besten ruft ihr direkt dort an oder schreibt eine E-Mail.

Für eine systematische und umfangreichere Recherche empfehle ich darüber hinaus die ebenfalls kostenfreie Förderdatenbank des Bundes. Ihr werdet schnell merken, dass diese Datenbank nicht in erster Linie für gemeinnützige Akteur*innen entwickelt wurde. Lasst euch davon nicht irritieren – ihr findet in dieser Datenbank viele Förderprogramme, die auch von gemeinnützigen Akteur*innen genutzt werden können. Last but not least, ist das Funding & Tenders Portal der Europäischen Kommission ein erster Zugang zur EU-Förderwelt mit all seinen verschiedenen Angeboten.

Ich möchte meine wichtigste Message am Ende noch einmal hervorheben: Einige relevante Personen zu kennen und regelmäßig mit ihnen in Kontakt zu sein, beschleunigt jede Recherche nach Fördermitteln um ein Vielfaches.

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