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Von der Samstagsschule für Kinder zur wachsenden Gemeinschaft für ganze Familien: Roman Prysiazhniuk, Mitgründer des Vereins „Ukrainische Schule Berlin“, erzählt, inwiefern das Wachstum interne Organisationsstrukturen verändert hat, warum mangelndes Geld nur die zweitgrößte Herausforderung ist und wie sich die Community über Ländergrenzen hinweg vergrößern soll.

Der Verein „Ukrainische Schule Berlin“ ist eine Samstagsschule für Kinder. Roman Prysiazhniuk, selbst Vater, hat ihn vor mehr als fünf Jahren zusammen mit anderen Eltern gegründet, als er erfolglos auf der Suche nach Ukrainisch-Unterricht für seine Tochter war. Heute lernen dort 150 Kinder in elf Klassen die Sprache – und drumherum ist eine wachsende Community entstanden, die noch viel mehr zu bieten hat als reinen Sprachunterricht. Zum Beispiel Unterstützung für Kinder, die aufgrund des Krieges ihr Heimatland verlassen mussten.

Hier erzählt Roman Prysiazhniuk, welche Erfahrungen er in den vergangenen fünf Jahren in puncto Organisationsentwicklung, Finanzierung und ehrenamtlicher Tätigkeit gemacht hat.

Was ist die Mission der “Ukrainischen Schule Berlin”?

Roman Prysiazhniuk: Unser Hauptziel ist es, einen Ort zu schaffen, an dem Kinder die ukrainische Sprache lernen können. Die Schüler*innen sind ukrainischer Abstammung, kommen aus gemischten Familien oder haben rein deutsche Wurzeln und pflegen Beziehungen zur Ukraine. Viele der Kinder sind erst vor kurzem aus der Ukraine weggezogen. Sie suchen oft einen Ort, an dem sie nicht nur die Sprache lernen, sondern sich auch in einer Gemeinschaft zuhause fühlen. Wir haben eine lebendige Community aufgebaut, die in den letzten Jahren von unschätzbarem Wert war, vor allem dank gemeinsamer Projekte.

Wie viele Schüler*innen sind momentan eingeschrieben?

Wir haben im aktuellen Schuljahr elf Klassen mit insgesamt über 150 Kindern. Unsere Gemeinschaft beschränkt sich aber nicht nur auf die Schüler*innen. Auch die Eltern und Verwandten sind aktiv beteiligt. Viele Eltern übernehmen sogar Lehraufgaben, andere helfen bei der Organisation des Betriebs. Die Community, vereint durch das Ziel, Kinder zu bilden, beteiligt sich auch an verschiedenen anderen Gemeinschaftsprojekten.

Welche anderen Projekte gibt es in eurer Community?

Ursprünglich dachten wir, dass die ukrainische Schule unser einziges Projekt ist. Aber dann wurde uns klar: Sie ist unser Samstagsprojekt und vielleicht auch unser größtes. Wir organisieren aber auch verschiedene Veranstaltungen – vor einigen Jahren haben wir zum Beispiel mit über 250 Kindern Nikolaus gefeiert. Das war eine Kooperation mit anderen Berliner Organisationen.

Außerdem unterstützen wir Kinder, die vom Krieg betroffen und neu in Berlin angekommen sind. Wir koordinieren Spenden für Kinder, die noch in der Ukraine sind und bieten Bildungsmaterialien für sie an. Lehrer*innen unserer Organisation können neue Projekte vorschlagen, die wir dann unterstützen. Ein Beispiel ist ein Kurs zum traditionellen ukrainischen Ostereierbemalen – er steht allen offen, die sich für die ukrainische Kultur und Traditionen interessieren.

Wie ist eure Organisation strukturiert? Wie viele Mitarbeiter*innen gibt es? Arbeiten alle ehrenamtlich?

Viele Eltern, einschließlich mir selbst, stellen ihre Zeit und Fähigkeiten ehrenamtlich zur Verfügung. Wir haben mindestens elf Lehrerinnen. Einige davon erhalten eine Aufwandsentschädigung für ein paar Stunden Arbeit pro Woche. Ich betrachte sie als entlohnte Ehrenamtliche, da nur ihre Ausgaben gedeckt werden.

Unsere größte organisatorische Veränderung war im letzten Jahr die Einstellung einer Schuldirektorin. Bis dahin bestand der Vorstand aus drei Gründungselternpaaren. Nun haben wir einige Aufgaben an die Direktorin delegiert. Sie ist hauptverantwortlich für das Schulprojekt. Sie wird entlohnt, aber den Großteil ihrer Tätigkeiten verrichtet sie ehrenamtlich.

Aufgrund des Wachstums haben wir bei der internen Organisation innerhalb der Schule einige neue Strukturen eingeführt. Zum Beispiel trennen wir Grundschülerinnen von älteren Schüler*innen. Abgesehen davon ist unsere Organisationsstruktur aber schlank geblieben.

Was ist die größte Herausforderung, vor der eure Non-Profit steht?

Traditionell haben gemeinnützige Organisationen ja oft mit Finanzierungsproblemen oder der Organisation von Personal zu kämpfen. In unserem Fall, mit zahlreichen Lehrer*innen und über hundert Kindern, können operative Aufgaben eine Herausforderung darstellen. Unser Hauptproblem ist aber aktuell, einen dauerhaften Standort für unsere Schule zu finden, in dem elf Klassen Platz haben.

Dieses Jahr mussten wir die Klassen auf zwei verschiedene Orte verteilen, was für Eltern und die Organisator*innen kompliziert ist. Idealerweise suchen wir eine Partnerschaft mit einer Schule, die wir samstags nutzen können. In der Vergangenheit haben wir Räume von kommerziellen Unternehmen gemietet, aber das wird immer teurer und wir würden diese Mittel lieber anderweitig einsetzen.

Inwiefern habt ihr in eurer Organisation angefangen, unternehmerischer zu denken?

Ich arbeite im IT-Bereich und habe viel mit neuen Unternehmen zu tun. Diesen Ansatz des regulären Geschäftsbetriebs habe ich auf die Non-Profit übertragen, was ziemlich gut funktioniert hat. Im Grunde ist der Ansatz sehr ähnlich, abgesehen davon, dass es nicht um Gewinn geht. Es dreht sich alles immer um den Mehrwert.

Wir beginnen, die Verwaltung der Organisation von den Projekten zu trennen.

Was uns sehr geholfen hat, ist die Trennung von verschiedenen Rollen. Wir haben klein angefangen und viele verschiedene Aufgaben erledigt. Aber als die Organisation wuchs, haben wir mehr Struktur in die Verwaltung der Schule und anderer Projekte reingebracht. Wir beginnen, die Verwaltung der Organisation von den Projekten zu trennen.

Zur Finanzierung: Als wir die Schule gründeten, hatten wir nicht vor, Spenden zu sammeln. Wir haben uns immer auf die Hilfe der Eltern verlassen. Aber das Umfeld von Non-Profit-Organisationen ist sehr vielfältig. Wenn wir dieses Umfeld und mögliche Finanzierungsansätze besser kennen würden, stünden wir besser da.

Welche Finanzierungsquellen habt ihr bisher angezapft?

Wir haben uns für einige Zuschüsse beworben. Aber bisher haben wir nicht viel Erfolg gehabt. Es erfordert viel Mühe und Dokumentation, um Zuschüsse zu beantragen. Aber wir lernen definitiv viel aus diesem Prozess.

Was uns ebenfalls geholfen hat, war die Unterstützung durch das PHINEO-Projekt WE AID. Das hat viel verändert und uns gezeigt, wie professionell gemeinnützige Organisationen arbeiten können. Es war eine gute Inspiration, wie wir uns selbst als Organisation weiterentwickeln können.

Wofür benötigt ihr finanzielle Mittel?

Ursprünglich haben wir auf ehrenamtliche Mitarbeit gesetzt. Bis zu einem gewissen Grad können Menschen das leisten, für ein paar Stunden pro Woche. Aber wenn wir erwarten, dass Mitarbeitende regelmäßig einen halben Samstag investieren, müssen wir das finanziell unterstützen. Wir zahlen dem Personal wie gesagt nur eine Aufwandentschädigung, aber das summiert sich bei insgesamt etwa 15 Lehrer*innen. Wir kaufen auch alle Bücher für die Kinder, sie sind Teil des Bildungsangebots.

Wir versuchen, die Gebühren so gering wie möglich zu halten und bieten Bildungsstipendien an.

Wenn wir einen Überschuss haben, tätigen wir damit viele organisatorische Ausgaben.Im Gegensatz zu anderen Schulen bieten wir jeden Samstag Snacks für die 150 Kinder an. Das war einer der Gründe, wie wir sie in die Schule locken konnten und eine Möglichkeit, sie bei Laune zu halten. Die Kosten wurden bisher hauptsächlich von den Eltern getragen, die für den Unterricht bezahlen. Wir versuchen jedoch, die Gebühren so gering wie möglich zu halten. Für viele Kinder, die kürzlich aus der Ukraine gekommen sind und deren Eltern finanzielle Schwierigkeiten haben, bieten wir Bildungsstipendien an. Sie zahlen entweder nicht oder nur eine minimale Gebühr.

Bisher wurde unser Modell durch Beiträge der Eltern finanziert. Aber langfristig gesehen ist es wichtig für uns, auch Spenden und Zuschüsse von Organisationen zu erhalten.

Gibt es Pläne für zusätzliche Einnahmequellen?

Wir haben über verschiedene Möglichkeiten nachgedacht, wie den Verkauf von T-Shirts oder die Organisation von Veranstaltungen, um zusätzliche Finanzierung zu erhalten. Eine weitere Idee war, Deutschkurse für Eltern anzubieten.

Allerdings möchten wir den Schwerpunkt nicht zu sehr auf kommerzielle Dienstleistungen legen. Stattdessen überlegen wir, wie wir mit den vorhandenen Ressourcen Mehrwert für unsere Gemeinschaft schaffen können. Für die Finanzierung kleinerer Projekte kann die Schule selbst einige hundert Euro bereitstellen. Aber ich bin mir bewusst, dass wir nicht in der Lage wären, alles zu finanzieren, wenn wir kommerzielle Stundensätze ansetzen würden.

Unser Ziel ist es, weniger von Finanzmitteln abhängig zu sein und stattdessen eine Gemeinschaft aufzubauen, die Projekte vorantreibt und Verantwortung übernimmt.

Ich bin überzeugt: Wenn wir einen Mehrwert schaffen, wird die Finanzierung folgen. Das eigentliche Problem ist nicht das Geld, sondern Menschen zu finden, die Verantwortung übernehmen. Wenn man die richtigen Leute hat, finden sich auch die Mittel.

Also ist euer Hauptziel, die Community zu vergrößern?

Ja. Wir können nicht alles bezahlen oder kaufen, was in unserem Bereich notwendig ist. Oft benötigen wir für unsere Aktivitäten mehr internen Support als Geld. Besonders für kleinere Projekte, die gelegentlich stattfinden, möchten wir eine Kultur schaffen, in der die Gemeinschaft diese Projekte selbst antreibt. Das ist eines unserer Hauptziele. Wir bringen Menschen zusammen und hoffen, dass sich diese Gemeinschaft mit der Zeit selbst in Gruppen organisiert, um die Probleme zu lösen, an die die Organisation vielleicht gar nicht gedacht hat.

Wir leisten einen Beitrag zu einer Gemeinschaft, die größer ist als nur die in der Ukraine oder in Deutschland.

Manchmal träumen wir davon, Schulen in anderen Städten zu eröffnen. Wir teilen bereits jetzt unser Wissen mit anderen Samstagsschulen in Deutschland und im Ausland und unterstützen sie mit Lernmaterialien. Für die meisten unserer Klassen verwenden wir angepasste Materialien, auch wenn wir versuchen, dem Programm des ukrainischen Bildungssystems zu folgen. Damit leisten wir einen Beitrag zu einer Gemeinschaft, die größer ist als nur die in der Ukraine oder in Deutschland.

Wir möchten dieses Material auf professionelle Weise aufbereiten und es allen zur Verfügung stellen, die daran interessiert sind, Bildung auf unterschiedlichen Niveaus der ukrainischen Sprache anzubieten. Deshalb haben wir uns für einen Zuschuss beworben.

Welche Tipps gibst du anderen gemeinnützigen Organisationen, die nach zusätzlichen Einnahmequellen suchen?

Ich denke immer zuerst an den Mehrwert und erst danach an Geld. Arbeitet die Stärken und Fähigkeiten innerhalb eurer Organisation und Gemeinschaft heraus, die euch einzigartig machen. Wenn ihr den Mehrwert mit euren Fähigkeiten kombiniert, könnt ihr darüber nachdenken, zusätzliche Dienstleistungen zu schaffen. Sobald es einen Mehrwert gibt, werden Menschen gerne dafür bezahlen. Oder die Gesellschaft, wird Wege finden, euer Vorhaben zu finanzieren.

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