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In den letzten Jahren gibt es eine Debatte über die Wirkungen und die Wirksamkeit der Sozialen Arbeit. Dabei zeigt sich, dass mitunter sehr schnell – in der Regel leider voreilig – von Wirkungen gesprochen wird, die sich de facto nicht feststellen lassen. Sebastian Ottman mit einem Plädoyer, den Wirkungsbegriff differenzierter und transparenter einzusetzen.

Wirkung: Um was geht es eigentlich?

Laut Duden ist “Wirkung” eine Veränderung, die durch eine verursachende Kraft bewirkt wird. Betrachtet man diese Definition genauer, zeigen sich zwei entscheidende Aspekte: Wir sprechen dann (und auch wirklich nur dann) von einer Wirkung, wenn sowohl

  • eine Veränderung als auch       
  • eine ebendiese Veränderung verursachende Kraft existiert.

Besonders auf den Aspekt der “verursachenden Kraft” kommt es an, wenn man die Wirkung des eigenen Handelns hinterfragt. Schließlich darf definitorisch nur dann von einer Wirkung gesprochen werden, wenn sich Veränderungen oder Stabilisierungen auf ein entsprechendes Angebot zurückführen lassen.

Ein Beispiel: Wir können nur dann von Wirkungen einer Erziehungsberatung sprechen, wenn sich die beabsichtigten Veränderungen und/oder Stabilisierungen bei den Leistungsempfänger*innen auch feststellen lassen. Zudem muss nachweisbar sein, dass diese Veränderungen/Stabilisierungen mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit ursächlich durch das Beratungsgebot entstanden.

Das Beispiel verdeutlicht, dass der kausale Mechanismus, den die Duden-Definition vorgibt, eine hohe Hürde darstellt. Bevor ich das näher erkläre, möchte ich den Begriff der Wirkung noch um einen wichtigen Aspekt erweitern.

Auch eine Stabilisierung kann eine Wirkung sein

Balzer und Beywl definieren Wirkung als “eingetretene Veränderungen oder Stabilisierungen bei den Zielgruppen eines (…) Programms (…), die ursächlich auf dieses Programm zurückgehen.” (Balzer & Beywl, 2015, S. 192).

Obschon Balzer und Beywl ähnlich der Duden-Definition einen kausalen Mechanismus vorgeben, erweitern sie ihn um einen wichtigen Aspekt: Eine Wirkung ist demnach nicht zwingend an die Veränderung eines Zustands geknüpft; vielmehr kann bereits die Stabilisierung eines Zustands eine Wirkung sein.

Diese definitorische Erweiterung ist insofern sinnvoll, als in der Sozialen Arbeit eine Wirkung häufig darin bestehen kann, dass eine bestimmte (Lebens-)Situation bzw. dass erworbene Kompetenzen oder Verhaltensweisen stabilisiert werden. Das bedeutet: Um in der sozialen Arbeit eine Wirkung zu erzielen, muss nicht notwendigerweise eine positive Veränderung eintreten. Es genügt, dass ein Zustand stabilisiert wird.

Wirkung und Wirksamkeit

Neben dem Terminus der Wirkung wird häufig auch der Begriff der “Wirksamkeit” ins Feld geführt. Unter anderem findet man beide Begriffe im Bundesteilhabegesetz, das die gesetzliche Regelung für die Eingliederungshilfe darstellt. “Wirksamkeit” wird hierbei definiert als “Grad, zu dem ein Programm Wirkungen auslöst, die in seinen Zielen als anzustrebend vorgegeben sind” (EvalWiki, 2020).

Mit Blick auf die Definitionen zeigt sich, das bei “Wirkung” und “Wirksamkeit” unterschiedliche Ebenen betrachtet werden. Während bei “Wirkung” eine einzelne Person, z.B. die Nutzer*in eines sozialen Angebotes, in den Fokus rücken, wird beim Begriff der “Wirksamkeit” eine komplette Maßnahme betrachtet.

Übertragen auf die Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit bedeutet das:

  • Mit der Wirkung kann eine Aussage darüber getroffen werden, welche Wirkung bei einem/r Nutzer*in eines sozialen Angebotes entstanden ist, sowie über das Ausmaß des konzeptionell beabsichtigen Zusammenwirkens zwischen Anbieter*innen und Nutzer*innen (Koproduktion sozialer Dienstleistungen). 
  • Die Wirksamkeit gibt Auskunft darüber, ob ein Angebot wirksam erbracht wurde. Dieser Nachweis ist u.a. für die Legitimation gegenüber den Fördergeberinnen oder Kostenträgern wichtig.

Was allerdings beide Begriffe eint, ist der kausale Mechanismus.

Die Herausforderung der Kausalität

Aber wann lässt sich nun davon sprechen, dass ein soziales Angebot oder eine Maßnahme eine Wirkung erzielt bzw. wirksam ist? Nach den oben aufgeführten Definitionen immer dann, wenn empirisch nachgewiesen werden kann, dass die eingetretenen Veränderungen oder Stabilisierungen mit großer Wahrscheinlichkeit auf das Angebot oder die Maßnahme rückführbar sind.

Um einen solchen empirischen Nachweis zu erbringen, wird allerdings – sozialwissenschaftlich betrachtet – eine Vergleichsgruppe benötigt. Es werden also nicht nur die Nutzer*innen in der Maßnahme untersucht, sondern immer auch ähnliche Personen mit den gleichen Problemlagen, die nicht an der Maßnahme teilgenommen haben. In den Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit ist es jedoch oft sehr schwierig, wenn nicht aus ethischen Gründen sogar unmöglich, eine solche Vergleichsgruppe zu bilden. Meist aufgrund der Tatsache, dass man solche Vergleichspersonen nicht erreicht oder aus anderen Gründen nicht untersuchen kann oder darf, z.B. weil ein Angebot nicht bestimmten Personen vorenthalten werden darf.

Eine Idee wäre, den Wirkungsbegriff komplett von seinem kausalen Mechanismus zu entkoppeln – sinnvoll wäre das nicht, da die Kausalität eine zentrale Rolle einnimmt. Eine bessere Lösung ist, anzuerkennen, dass Angebote und Maßnahmen in der Sozialen Arbeit in eine vielfältige soziale Realität eingebettet sind und es daher auch eine Vielzahl von Kontextfaktoren gibt, die gleichermaßen die avisierten Wirkungen beeinflussen können.

Diesen Ansatz greift die sogenannte Realistic Evaluation auf, die davon ausgeht, dass eine Wirkung immer durch einen Mechanismus und den jeweiligen Kontext entsteht (vgl. Pawson & Tilley, 1997). Insofern ist es nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig, im Rahmen einer Wirkungsanalyse stets die Kontextfaktoren zu berücksichtigen und – sofern eine Vergleichsgruppe gebildet werden kann – möglichst viele dieser Kontextfaktoren als Störvariablen in das Design mitaufzunehmen. So kann auch geklärt werden, welchen Anteil eine Maßnahme an der festgestellten Wirkung tatsächlich hat. Auf diese Weise nähert man sich möglichst exakt dem kausalen Mechanismus der Maßnahme bzw. des Angebotes an.

Plädoyer für einen differenzierten Umgang

Ein Vergleichsgruppendesign ist in der Sozialen Arbeit nur schwer umsetzbar. Daher erscheint es sinnvoll, bei einer Wirkungsanalyse auch mit der Methode der Wirkungsplausibilisierung (vgl. Balzer, 2012; Balzer & Beywl, 2015) zu arbeiten – und diese sowohl in begrifflicher Abgrenzung als auch ergänzend zu einem empirisch-kausalen Wirkungsnachweis einzusetzen.

Im Rahmen einer solchen Plausibilisierung wird etwa durch Auswertungsworkshops mit Fachkräften und/oder durch Interviews mit Nutzer*innen eine Einschätzung abgegeben, welchen Anteil das Angebot an den Veränderungen und Stabilisierungen hat und welche weiteren Kontexteinflüsse die erzielten Wirkungen beeinflusst haben, z.B. das familiäre oder soziale Umfeld des/der Nutzer*in des Angebotes.

Um terminologisch so exakt wie möglich zu sein, sollte der Wirkungsbegriff differenziert eingesetzt und nur dann von einer nachgewiesenen Wirkung gesprochen werden, wenn diese mit einem forschungsmethodischen Nachweis einhergeht. Die nachfolgende Grafik enthält einen Vorschlag für einen differenzierten Umgang:

Eine Unterscheidung wird zwischen den Termini “Effekt”, “plausibilisierte Wirkung” und “nachgewiesene Wirkung” getroffen. Welcher Begriff jeweils verwendet wird, ist davon abhängig, wie empirisch stichhaltig das Ergebnis ist.

Lassen sich lediglich Veränderungen oder Stabilisierungen bei der Zielgruppe der Maßnahme/des Angebots erfassen, sollte konsequenterweise “nur” von Effekten gesprochen werden (vgl. Ottmann & König, 2018, 2019). Wurde darauf aufbauend eine Wirkungsplausibilisierung durchgeführt, könnte man von einer plausibilisierten Wirkung sprechen. Von einer nachgewiesenen Wirkung bzw. allgemein von Wirkung sollte hingegen immer nur dann die Rede sein, wenn sich ein kausaler Mechanismus methodisch sauber nachweisen lässt – also ein Nachweis, dass die Veränderungen oder Stabilisierungen mit hoher Wahrscheinlichkeit infolge der Maßnahme oder des Angebots entstanden sind. Für diesen Nachweis ist jedoch eine Kontroll- oder Vergleichsgruppe unabdingbar.

Fazit

Uns allen wäre geholfen, gingen wir sorgsamer mit dem Terminus “Wirkung” um. Wenn wir ihn nicht wie derzeit inflationär benutzen, sondern präziser verwenden. Wenn wir nur dann von einer Wirkung sprechen, wenn diese realistisch, transparent und nachvollziehbar ist. Und nur dann von einer “nachgewiesenen Wirkung”, wenn diese auch forschungsmethodisch valide erfasst wurde.

Die oben skizzierte Unterscheidung – “Effekt”, “plausibilisierte Wirkung” und “nachgewiesene Wirkung” – ermöglicht eine Aussage darüber, wie belastbar die gefundenen Ergebnisse sind und welche Methoden beim Nachweis zum Einsatz kamen.

Da es in vielen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit schwierig ist, eine Kontrolle bzw. Vergleichsgruppe zu bilden, wird ein für die Praxis gangbarer Weg darin bestehen, die plausibilisierte Wirkung darzustellen. Mit der Entwicklung von Wirkmodellen und dem Aufbau eines wirkungsorientierten Monitorings (nach dem Vorgehen des Wirkungsradars, vgl. Ottmann & König, 2019) sowie der abschließenden Durchführung einer Wirkungsplausibilisierung ist das ein realistischer Weg.

Weitere Informationen zum Thema Wirkungsorientierung in der Sozialen Arbeit gibt es in einem kostenfreien Online-Kurs der Evangelischen Hochschule Nürnberg auf der Plattform OPEN vhb.

Literaturtipps

  • Balzer, L. (2012). Der Wirkungsbegriff in der Evaluation – eine besondere Herausforderung. In G. Niedermair (Hrsg.), Evaluation als Herausforderung der Berufsbildung und Personalentwicklung (1. Auflage, S. 125–141). Linz: Trauner. 
  • Balzer, L. & Beywl, W. (2015). evaluiert: Planungsbuch für Evaluationen im Bildungsbereich (1. Auflage.). Bern: hep verlag ag. 
  • Ottmann, S. & König, J. (2018). Was wirkt wie? – Konzeptionelle Überlegungen zur Messung und Analyse von Wirkungen in der Sozialen Arbeit. Der Wirkungsradar des Instituts für Praxisforschung und Evaluation der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Forschung, Entwicklung, Transfer – Nürnberger Hochschulschriften
  • Ottmann, S. & König, J. (2019). Wirkungsanalyse in der Sozialen Arbeit. Differenzierung ist nötig. Soziale Arbeit, 68 (10), 368–376. 
  • Pawson, R. & Tilley, N. (1997). Realistic evaluation. London ; Thousand Oaks, Calif: Sage.
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