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Im Idealfall ändern Vereine unfaire oder veraltete Regelungen in ihrer Satzung, die bestimmten Menschen oder Gruppen benachteiligen oder ausschließen. Doch nicht immer lässt sich eine Mehrheit der Vereinsmitglieder dafür gewinnen. Ob eine offensichtlich ungerechte Satzungsbestimmung geltendes Recht verletzt, hängt ganz von den Umständen ab.

Ist Diskriminierung nicht sowieso verboten?

Es mag überraschen, aber es gibt keine gesetzliche Vorschrift, die allen Menschen und allen Organisationen Diskriminierung untersagt. Allerdings sind willkürliche Benachteiligungen und Zurücksetzungen auch nicht überall erlaubt. In vielen Bereichen existieren Schutzrechte – zum Beispiel gegenüber Verwaltungsentscheidungen oder im Arbeitsleben. 

  • Im Grundgesetz gibt es mit Artikel 3 eine Bestimmung, die Diskriminierung eindeutig verbietet. Dieser Artikel legt fest, dass vor dem Gesetz alle gleich und Frauen und Männer gleichberechtigt sind: “Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden”. 

    Das gilt allerdings zunächst einmal nur für das Handeln des Staates gegenüber den Menschen. Das Grundgesetz zwingt niemanden, sich in den persönlichen Entscheidungen, Äußerungen und Handlungsweisen diskriminierungsfrei zu verhalten. Der Grundgesetzartikel ist auch keine Vorschrift, die unmittelbar das Satzungsrecht von Vereinen einschränkt.  
  • In Deutschland gibt es seit 2006 ein eigenes Gesetz gegen Diskriminierung: das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz oder kurz AGG. Es dient ausdrücklich dem Ziel, “Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.”

    Allerdings gilt das AGG nicht für jeden Bereich der Gesellschaft oder des Alltags. Es verbietet unter anderem Benachteiligungen am Arbeitsplatz, in der Bildung, in Bezug auf soziale Sicherheit, bei Gesundheitsdiensten sowie bei “Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.” (§ 2 AGG). Damit werden zwar die Zwecke vieler Non-Profits berührt. Trotzdem deckt dieser Geltungsbereich längst nicht alle Bereiche gemeinnütziger Tätigkeit ab.  
  • Der vereinsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz bedeutet, dass alle Mitglieder eines Vereins grundsätzlich einen Anspruch auf Gleichbehandlung haben. Dieser Grundsatz steht so zwar in keinem Gesetz. Es prägt aber seit vielen Jahrzehnten die Rechtsprechung der Gerichte.

    Das bedeutet nicht, dass in einem Verein keinerlei Unterschiede gemacht werden dürfen. Es muss dafür aber stets einen Sachgrund geben. Dass die Vorstandsmitglieder des Vereins mehr bestimmen dürfen als andere Vereinsmitglieder, lässt sich sachlich rechtfertigen. Gleiches gilt, wenn Vereinsmitglieder ohne Einkommen ermäßigte Mitgliedsbeiträge bezahlen. Es darf aber keine willkürlichen Unterschiede bei Rechten oder Gebühren geben. 

Trotz dieser Rechtsgrundlagen bleibt es immer eine Einzelfallfrage, ob eine als diskriminierend empfundene Satzungsbestimmung auch gegen Vereinsrecht verstößt. Die Antwort hängt stets auch vom Satzungszweck, dem Tätigkeitsfeld und der sozialen oder wirtschaftlichen Stellung des Vereins ab.

Das lässt sich anhand einer Gerichtsentscheidung aus Bayern zeigen. 

Kein traditioneller Ausschluss von Frauen: Der Fischertag ist auch Fischerinnentag 

Aus Memmingen im traditionell eher konservativen Allgäu kam 2021 ein klares Signal, dass Vereine einzelnen Gruppen nicht einfach Sonderrechte einräumen dürfen. In dem Rechtsstreit ging es um das jährliche Ausfischen des Memminger Stadtbachs. Der Fischertag, seit Jahrhunderten Anlass für ein Stadtfest, dreht sich darum, wer die größte Forelle fängt und “Fischerkönig” wird. Veranstalter ist ein Traditionsverein. In dem durften Frauen zwar Mitglieder werden, aber nur Männer am Ausfischen teilnehmen. Das sah die Satzung ausdrücklich vor.

Eine Frau, die sich das Mitfischen nicht verbieten lassen wollte, klagte und hatte nacheinander vor dem Amtsgericht Memmingen und dem Landgericht Memmingen Erfolg (Aktenzeichen: LG Memmingen, 28.07.2021 – 13 S 1372/20). Im Kern ging es bei dem Prozess um die Frage, ob die Satzungsbestimmung zum Frauenausschluss unzulässig war, und ob die Frau einen Aufnahmeanspruch in die Vereins-Untergruppe der “Stadtbachfischer” hatte. Den hatte sie, so das Landgericht, weil ihr Ausschluss gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstieß. Das Gericht sah keinen Sachgrund, der die Beschränkung des Fischens auf männliche Vereinsmitglieder rechtfertigen konnte. 

Vereine mit “Monopolstellung oder überragender Machtstellung”

Trotzdem zeigt sich, dass die Rechtslage durchaus diskriminierende Satzungsregeln von Vereinen ermöglicht, auch wenn die Memminger Klägerin erfolgreich war. Die Lektüre der Urteilsbegründung ist erhellend: 

  • Grundsätzlich können Vereine Voraussetzungen für die Mitgliedschaft festlegen, sie müssen nicht jede*n aufnehmen. Der grundgesetzliche Anspruch auf Gleichbehandlung (Art. 3 GG) hat keinen Vorrang vor der ebenfalls im Grundgesetz garantierten Vereinsfreiheit (Art. 9 GG).  
  • Ein gesetzlicher Anspruch auf Aufnahme ergibt sich nur in besonderen Fällen: wenn der Verein eine “Monopolstellung oder eine überragende Machtstellung im sozialen oder wirtschaftlichen Bereich” besitzt und das Mitglied ein grundlegendes Interesse an der Mitgliedschaft hat. Dann greift eine Bestimmung aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (§ 18 AGG). Anders gesagt: Je wichtiger und maßgeblicher ein Verein ist, desto mehr muss er darauf achten, niemanden ohne Sachgrund auszuschließen.

    Genau das war aber im Fall der Fischerin jedoch nicht maßgeblich. Der Fischertagsverein besitzt zwar nach Ansicht der Richter*innen eine lokale Machtstellung: nur seine Mitglieder konnten sich am Ausfischen beteiligen. Das Gericht sah aber kein grundlegendes Interesse der Frau an der Teilnahme. Dazu hätte sie zum Beispiel ein entsprechendes wirtschaftliches Bedürfnis nachweisen müssen.  
  • Entscheidend ist auch ein anderer Aspekt des Urteils: Nur weil die Frau bereits Mitglied im Gesamtverein war, hatte sie Anspruch auf Gleichbehandlung gegenüber den männlichen Mitgliedern. Eine Außenstehende wäre mit einer Klage auf Teilnahme am Stadtfischen wohl gescheitert. 
  • Und selbst das klagende Vereinsmitglied hätte kaum Erfolg gehabt, wenn der Verein sich strikt der Nachahmung der mittelalterlichen Abläufe gewidmet hätte, statt den Spaßfaktor ins Zentrum zu stellen. In diesem Fall hätte der Zweck der Historientreue wohl als Sachgrund für den Ausschluss der Frau gereicht. Das deutet die Urteilsbegründung an. 
  • Schließlich verwies das Gericht noch auf eine weitere Hintertür: Sonderrechte sind auch ohne sachlichen Grund zulässig, wenn wie bei einer Zweckänderung jedes einzelne Mitglied des Vereins zustimmt. Das wäre allerdings in Memminger Fall zumindest an der Klägerin gescheitert. 

Diskriminierung als Argument gegen die Gemeinnützigkeit 

Diskriminierende Satzungsregeln können auf einer weiteren Ebene zum Problem für den Verein werden: Sie können ihn die Gemeinnützigkeit kosten. Diese ist an die Förderung der Allgemeinheit geknüpft.

“Eine Förderung der Allgemeinheit ist nicht gegeben, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugute kommt, fest abgeschlossen ist”, so steht es im Gesetz (§ 52 Abs. 1 AO).

Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs belegt, wie Ungleichbehandlung dem Verein die finanzielle Grundlage entziehen kann: 

Die frauenlose Freimaurerloge 

Einer als eingetragener Verein organisierte Freimaurerloge, die gemäß Satzung nur Männer ab 21 Jahren aufnahm, wurde vom Bundesfinanzhof die Gemeinnützigkeit aberkannt. Vereinszweck waren unter anderem die Pflege der Freimaurerei, die Förderung der Religion und die Unterstützung hilfsbedürftiger Personen. Dieser Zweck könne auch Frauen zugutekommen, so der BFH. Da die Loge Frauen trotzdem ohne sachlich zwingenden Grund von der Mitgliedschaft ausschließe, fördere sie die Allgemeinheit nicht (BFH, 17.05.2017 – V R 52/15).

Einen verfassungsmäßigen Anspruch auf die Gemeinnützigkeit sah das Gericht nicht. Vielmehr wies es selbst in einer Pressemitteilung darauf hin, dass das Urteil sich auch auf andere Vereine auswirken könne, die ein Geschlecht ohne Sachgrund von der Mitgliedschaft ausschließen: “Schützenbruderschaften, Männergesangsvereine oder Frauenchöre” zum Beispiel.

Vermutlich lässt es sich außerdem auf andere Formen von satzungsgemäßem Ausschluss von der Mitgliedschaft ausdehnen, wenn dieser nicht sachlich begründbar ist. 

Die Umstände bestimmen, wann Diskriminierung zum Rechtsfall wird

Ob es eine rechtliche Handhabe gegen diskriminierende Satzungsregeln gibt, hängt also ganz von den Umständen ab: 

  • Werden bestimmte Menschen nicht in einen Verein aufgenommen, können Sie dagegen nur dann juristisch vorgehen, wenn der Verein eine besondere soziale oder wirtschaftliche Stellung hat und die Ausgeschlossenen nachweisen, dass die Mitgliedschaft für sie besonders wichtig ist.  
  • Innerhalb des Vereins können Sonderrechte und Bevorzugungen mit Sachgründen verteidigt oder durch Zustimmung sämtlicher Mitglieder festgeschrieben werden. Ansonsten gilt ein Gleichbehandlungsgebot. 
  • Allerdings droht der Entzug der Gemeinnützigkeit, wenn Vereinen bestimmten Gruppen den Zugang verwehren oder ihre Leistungen auf bestimmte Gruppen beschränken. Ohne nachvollziehbaren sachlichen Grund führen solche Ungleichbehandlungen, die Teile der Allgemeinheit ausschließen, zum Verlust der steuerlichen Privilegien wie dem Steuerabzug von Spenden.  

Der Verlust der Gemeinnützigkeit und der damit verbundenen Steuerbegünstigung dürfte für viele Vereine ein bedrohliches Szenario sein. Vermutlich ist das in den meisten Fällen der Hebel, mit dem sich diskriminierende Satzungsregeln am ehesten zu Fall bringen lassen.