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Wie innovativ eine Organisation ist, hängt maßgeblich von ihrem Umgang mit Fehlern ab. Klingt einleuchtend, ist aber hierzulande alles andere als gängige Praxis. An diesen Dingen solltet ihr arbeiten, um zu einer guten Fehlerkultur zu kommen

Als Sozialarbeiter*in so ausgebrannt vom Dienst am Menschen, dass nur noch die Flucht ins Kloster hilft? Das eigene Unternehmen in den wirtschaftlichen Ruin getrieben? Oder durch eine unbedachte Äußerung einen Shitstorm auf den organisationseigenen Social-Media-Kanälen losgetreten? Solche beruflichen Tiefschläge werden gern unter den Teppich gekehrt. Anders bei den “Fuckup Nights”: Die Veranstaltungsreihe holt weltweit insbesondere berufliches Scheitern vor den Vorhang.

Denn aus Fehlern kann man lernen. Dass sie Potenzial für Innovationen bieten, kann sich auch eure Organisation zunutze machen. Die folgenden Rahmenbedingungen stehen dem im Weg und sollten neu überdacht werden:     

1. Falsche Grundeinstellung: Fehlertabu statt Fehlerkultur

Dass Fehler möglichst nicht kommuniziert werden, ist im beruflichen Umfeld noch weit verbreitet. Verständlicherweise. Schließlich ist jedes Unternehmen, jede Organisation, auf Fehlerfreiheit und die Vermeidung von Pannen geeicht. Denn die Konsequenzen können verheerend sein: Reklamationen von schadhaften Produkten, die Beseitigung von Missgeschicken, ein angeschlagenes Image – all das kann ganz schön teuer kommen.

Viel einfacher scheint es, auf ein Fehlertabu zu setzen. Dabei kommen Probleme erst gar nicht ans Tageslicht, von der Behebung ganz zu schweigen. Das kann aber nach hinten losgehen: Spät entdeckte Fehler können den entstandenen Schaden sogar noch erhöhen. Außerdem nährt eine solche Haltung permanent die Angst der Mitarbeitenden vor Sanktionen, die sie beim Bekanntwerden der Fehler zu erwarten haben.

Ein produktiver Umgang mit dem Scheitern bedeutet hingegen zu akzeptieren, dass Fehler passieren. Es geht nicht darum, alle Missgeschicke zu verhindern. Sondern vielmehr darum, die gravierendsten Fehler zu vermeiden und – wenn sie doch passieren – systematisch aus ihnen zu lernen.

2. Unklare Rahmenbedingungen: Fehler ist nicht gleich Fehler

Klingt logisch, aber was sind solche gravierenden Fehler? Lernkultur-Erprobte unterscheiden zwischen tolerablen, mehr oder weniger tolerablen und nicht tolerablen Fehlern:

  • Tolerable Fehler treten im Rahmen von neuen Projekten auf: Zwar geben alle Beteiligten ihr Bestes, aber nicht alle Entwicklungen sind vorhersehbar. Wenn Fehler passieren, sind diese verzeihlich.
  • Mehr oder weniger tolerable Fehler entstehen etwa unter Stress oder weil dem oder der Mitarbeitenden zu viele Aufgaben zugeteilt wurden. Hierbei handelt es sich also um einen menschlichen Irrtum oder ein nachvollziehbares Versäumnis, die ohne bösen Willen oder Fahrlässigkeit auftraten.
  • Nicht tolerable Fehler sind zum Beispiel geschäftsschädigende Verhaltensweisen, die eine*r Mitarbeitende*r an den Tag legt. Eine lösungsorientierte Lernkultur sollte diese nicht verharmlosen. Wer einen nicht tolerablen Fehler macht, kann abgemahnt werden.

3. Absicherungsmentalität dank Kontrollitis

Starre Regeln behindern ebenfalls eine produktive Lernkultur. Vor allem wenn Mitarbeitende einem starken Kontrolldruck ausgesetzt sind, wirkt sich das negativ auf ihre Innovationskraft aus. Wer wagt sich schon an neue Ideen mit unbekanntem Ausgang, wenn er oder sie ständig Angst vor einem Regelverstoß haben muss?

“Alles muss über seinen Tisch laufen”, “misstrauischer Kontrollfreak”, “Obersachbearbeiterin”: Es gibt nicht wenige Führungskräfte, auf die diese Beschreibungen zutreffen. “In vielen Unternehmen verbringen diese Chefs über 60 Prozent ihrer Arbeitszeit mit selbst verschuldeten, vermeidbaren Kontroll-, Prüf- und Nachbesserungsaufgaben”, erklärt Harald Korsten von motiv Gesellschaft für Innovation in einem Interview. Ein solches Mikromanagement fördert eine Absicherungsmentalität und senkt im gleichen Zug die Motivation, selbst als Problemlösende kreativ zu werden.

4. Belohnung durch Bonus- und Beförderungssysteme

Klingt gut, hat aber einen Haken: Wenn für fehlerfreie Leistungen ein Bonus oder eine Beförderung in Aussicht gestellt werden, steht für die meisten Mitarbeiter*innen zu viel auf dem Spiel, um innovative Ideen mit nicht ganz vorhersehbarem Ergebnis umzusetzen. Zudem motivieren solche Belohnungssysteme diversen Studien zufolge bestenfalls kurzfristig. Längst hat sich herausgestellt, dass aus sich selbst heraus motivierte Mitarbeiter*innen dreimal so engagiert sind und eine deutlich höhere Leistung an den Tag legen als solche, für die Arbeit nur Mittel zum Zweck ist.

Lesetipp:
Hier verrät Katarina Peranić von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt, wie sie als Führungskraft die intrinsische Motivation ihrer Mitarbeitenden fördert und sie zu mehr Wagemut und zum Lernen aus Fehlern anspornt. 

5. Emotionaler statt faktenorientierter Umgang mit Fehlern

Fehler gehören offen auf den Tisch, das steht fest. Doch das Wie ist entscheidend. Schuldzuweisungen oder Vorwürfe sind hier fehl am Platz, denn darauf reagieren Mitarbeitende bloß mit Flucht oder Verteidigung. Ein konstruktives Fehlermanagement ist dann nicht mehr möglich.

Besser ist es, sich auf die sachliche Benennung von Fakten zu konzentrieren. Eine Faustregel für konstruktives Feedback hat Karriereexpertin Svenja Hofert parat: Sie empfiehlt einen gedanklichen Rollentausch und die Frage: Wie würde ich mich fühlen, wenn ich kritisiert werde? Damit der oder die Mitarbeitende die Kritik auch annehmen kann, sollte auch ein Lob eingebaut werden.

Generell sollten in einem Fehlergespräch zwei Fragen im Fokus stehen:

  • Was war die Fehlerursache?
  • Wie können wir den Fehler in Zukunft vermeiden?

Anregungen kommen beim Gegenüber in der Regel besser an als Ratschläge. Im besten Fall wird die Person in die Erarbeitung der Lösung direkt mit einbezogen und ihr legt gemeinsam Ziele fest, wie solche Fehler künftig verhindert werden können.

Weniger Fluktuation dank gesunder Lernkultur

Klare Rahmenbedingungen, offene Kommunikation, ein motivierender Führungsstil und ein konstruktiver Umgang mit Missgeschicken sind die besten Voraussetzungen für eine gute Lernkultur. Dann ist es möglich, Fehler zu begehen, aus ihnen zu lernen und sie nicht zu wiederholen. Außerdem kann ein konstruktiver Umgang mit Fehlern auch dazu beitragen, engagierte Mitarbeitende in der Organisation zu halten.

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