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Die Finanzierung von Non-Profits im ländlichen Raum ist mit großen Herausforderungen verbunden. Doritta Kolb-Unglaub, Vorstandsvorsitzende von colorido e.V., kennt die Hintergründe und hat Tipps, wie ihr auch unter prekären Arbeitsbedingungen finanziell über die Runden kommt.  

Finanzierungsschwierigkeiten im ländlichen Raum

colorido e.V. ist ein ehrenamtlich verwalteter Verein, der sich im ländlichen Raum (Plauen in Sachsen) gegen Rassismus in jeglicher Form einsetzt. Der Verein ist regelmäßig mit Anfeindungen von rechts konfrontiert und muss darauf reagieren – so bleiben kaum Kapazitäten für die finanzielle Sicherung der eigentlichen Arbeit. Häufig scheitern die ehrenamtlichen Antragstellenden bereits an den bürokratischen Anforderungen großer Ausschreibungen. Ihnen fehlen das nötige Know-how und die Zeit, um komplexe Finanzierungspläne zu erstellen und Indikatoren oder Wirkungsziele zu formulieren.

Die meisten Institutionen, die über die nötigen Budgets verfügen, sind an große Ministerien angegliedert und werden teilweise über Aufbaubanken verwaltet. Dort entscheiden Menschen ohne fachliches Wissen zu den Bedarfen im ländlichen Raum über Zu -und Absagen der Förderanträge. Die tatsächlichen Bedarfe im ländlichen Raum, wie z.B. Austauschrunden für die Bewohner*innen und wichtige Formate zur Präventionsarbeit jeglicher Art stehen nicht in den gängigen Förderrichtlinien. Da die meisten kleinen Vereine parteiunabhängig arbeiten, fehlt ihnen außerdem die wichtige Lobbyarbeit, die bei der Akquise von Fördermitteln hilfreich sein kann.

Praxisbeispiel

Eine Gruppe von Coronaleugner*innen kommt auf colorido e.V. zu und konfrontiert sie mit Verschwörungserzählungen. Colorido e.V. möchte einen Raum für einen konstruktiven Austausch schaffen, doch leider fehlt es an Fachpersonal, um die Runde zu moderieren. Da alle verfügbaren Mittel an vorbestimmte Zwecke gebunden sind, kommt die Austauschrunde nicht zu Stande.

Den schwierigen Ausgangsbedingungen zum Trotz kennt Doritta Mittel und Wege, wie ihr als Non-Profit im ländlichen Raum eure Projekte finanzieren könnt.

Tipp 1: Stellt euch ehrenamtlich gut auf

Wenn zunächst keine größere Projektförderung in Sicht ist, ist es wichtig, dass ihr eine Gruppe an Ehrenamtlichen aufbaut, die sich ernsthaft und ehrlich für eure Sache einsetzt. Colorido e.V. besteht aktuell aus 27 Vereinsmitgliedern, wovon die Hälfte aktiv in der Verwaltung arbeitet und diverse Veranstaltungen organisiert. Ehrenamtliche, die sich aus Überzeugung für die Sache einsetzen, haben durch ihre Motivation gute Voraussetzungen, um eure Geldgeber*innen zu überzeugen. Wenn ihr kein Budget für Ehrenamtspauschalen habt, wertschätzt eure Engagierten durch schöne Teamevents. Mit vereinter Kraft könnt ihr voneinander lernen und Strukturen entwickeln, um auch bei großen Geldgebenden zu punkten.

Praxisbeispiel

Doritta weiß, dass es besonders im ländlichen Raum schwierig ist, ehrenamtliche Strukturen für eine förderfähige Organisation aufzubauen. Viele Menschen haben bei einer offenen Teilnahme am Vereinsgeschehen von colorido e.V. Angst vor Anfeindungen von rechts. Oder davor, dass ihnen die Jobsuche im konservativ geprägten Plauen erschwert wird. Diese Sorgen sind nicht unbegründet, denn hier kennt jeder jeden, und Mitgliedschaften sprechen sich schnell rum. Junge Personen verlassen deshalb oft den Ort und gehen nach Dresden und Leipzig, wo sie auf mehr Meinungsfreiheit hoffen. Als Folge betätigen sich für colorido e.V. überwiegend Bürger*innen im Alter zwischen 30 bis 50 plus.

Tipp 2: Gewinnt Vereinsmitglieder und sammelt Mitgliederbeiträge

Die Personen, die nicht aktiv und offen am Vereinsgeschehen teilnehmen möchten, könnt ihr überzeugen, eure Arbeit mit einem Mitgliederbeitrag oder Spenden zu unterstützen. Um an möglichst vielen Stellen Geld einzusparen, können die Vereinsmitglieder neben monetären Aufgaben zum Beispiel auch mit ihrem Know-how zu Fundraising, Handwerker*innen-Arbeiten oder einem Auto unterstützen. Die Personen, die als Mitglieder einen hohen ehrenamtlichen Einsatz zeigen, können vom Mitgliederbeitrag freigestellt werden. Das könnt ihr über eine Klausel in eurer Satzung festlegen.

Tipp 3: Nutzt Kooperationen

Wenn es mit den großen Förderungen noch nicht funktioniert, ist es sehr wichtig, dass ihr möglichst viele Kooperationspartner*innen für die Finanzierung eurer Organisation gewinnt. Colorido e.V. arbeitet aktuell mit mehreren Partner*innen zusammen, die verschiedene Kosten wie die Miete der Vereinsräume übernehmen oder einzelne Events und Austauschrunden auch ad hoc fördern. Eine gute Adresse sind größere Organisationen, die Spenden sammeln, um diese ohne Verwendungszwänge an die Bedarfe von kleineren, finanziell schwach aufgestellten Vereinen weiterzugeben. 

Praxisbeispiel

Durch eine gute Zusammenarbeit mit der Partnerschaft für Demokratie im Vogtlandkreis, die das Bundesprogramm Demokratie leben! verwaltet, konnte colorido e.V. zum 1. Mai 2023 eine Veranstaltung organisieren, bei der sich viele kleine Vereine zum Thema vorstellen und vernetzen können. Die Partnerschaft mit Land in Sicht e.V. ermöglicht dem Verein auch kleine und feine Veranstaltungsformate in Richtung Kunst und Kultur, um damit ein breiteres Publikum zu erreichen.

Tipp 4: Stärkt euer Netzwerk für die Veränderung der Förderlandschaft und macht eure Bedarfe dringlich

Bei der Bewerbung auf Förderanträge werden gleichgesinnte Organisationen zwangsläufig in einen Konkurrenzkampf geschickt. Am Ende gehen viele leer aus. Doritta fordert eine Förderlandschaft, in der alle Organisationen gleichermaßen mitwirken können, die ein demokratisches Miteinander forcieren. Ein starkes Netzwerk von Gleichgesinnten kann mit vereinter Kraft eine Veränderung der aktuellen Fördersituation anstoßen.

Bei der Gründung eines Vereins unter prekären Bedingungen im ländlichen Raum kann es hilfreich sein, zunächst aus dem eigenen Ort hinauszugehen, um sich vor direkten Anfeindungen und Unterwanderungen zu schützen. So könnt ihr zuerst einmal ein starkes und überregionales Netzwerk nach außen hin aufbauen. Zurück im Ort könnt ihr Kontakt zu gleichgesinnten Vereinen aufnehmen und Bündnisse schließen. Der Zusammenschluss mit Hochburgen, die ähnlich gelagerte Probleme haben, bietet sich an, um die Dringlichkeit eurer Bedarfe in den gesellschaftlichen Diskurs und bis auf die Ebene der Politik zu bringen.

Tipp 5: Achtet auf eure Formulierungen

Wenn ihr große Förderungen erhalten wollt, müsst ihr euch an gewisse Regeln halten. Auch wenn es zunächst kontraintuitiv erscheint, da ihr Probleme und Tatsachen klar benennen wollt, solltet ihr bei euren Formulierungen in Förderanträgen auf das Wording achten. So vermeidet ihr, dass euch die Fördergebenden als radikal einstufen.

Statt „Kampf gegen Nazis“ könnt ihr beispielsweise die Formulierung „Kampf gegen antidemokratische Kräfte“ verwenden. Und Achtung: Benennt im Antrag keine Parteien, die eurer Arbeit zwar im Weg stehen, aber demokratisch gewählt wurden.

Praxisbeispiel

Colorido e.V. wird eine große Förderung abgesagt. Die Begründung: Der Begriff „Nazi“ wurde genutzt. Auch die Benennung bestimmter Parteien wurde dem Verein zum Verhängnis, weil er aufgrund dessen als linksradikal eingestuft wurde.