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Großspenden werden immer wichtiger für den Spendenmarkt. In den letzten Jahren haben fast alle großen Organisationen, die Spenden sammeln, Großspenden-Fundraiser*innen eingestellt und so ihre Einnahmen steigern können. Aber wie kommt man an diese Spendengruppe heran, wie gewinnt man sie für sich und wie hält man sie? Das und noch viel mehr verrät hier der Fundraising-Berater Tom Neukirchen.

Ab wann spricht man eigentlich von Großspender*innen?

Bei den meisten Non-Profits gilt eine Spendenhöhe von 1.000 Euro als Großspende, doch es gibt keine festgelegte Schwelle. Die Art der Spende kann variieren: Einzelbetrag oder Summe aus mehreren Einzelspenden im Jahr. Die erstere Variante halte ich für ökonomisch sinnvoller, da Großspender*innen, die 1.000 Euro auf einmal spenden können, vermutlich nicht auf eine neue Waschmaschine sparen müssen und daher mehr Geld zur Verfügung haben als monatliche Spender*innen von 100 Euro. Auch Middle Donors werden übrigens immer wichtiger.

Wer ist mit Middle Donors gemeint?

Middle Donors, mit Spendensummen von z. B. 200 bis 1.000 Euro, sind keine Durchschnittsspendenden mehr, aber auch noch keine Großspender*innen. Sie sind ein unterschätztes Potenzial, dem immer mehr Organisationen Aufmerksamkeit schenken. Durch spezielle Betreuung wie Extraeinladungen oder besondere Führungen fühlen sie sich mehr wertgeschätzt und gesehen.

Was kommt jenseits der Großspender*innen?

Große Organisationen unterteilen Spender*innen oft weiter in Kategorien wie Major Donors (ab 1.000 Euro), Top Donors (ab 10.000 Euro) und High Donors (ab 100.000 Euro). Die Betreuung wird mit steigender Spendensumme intensiver und individueller, da die Bedürfnisse und Profile der Spendenden stark variieren.

Wie identifiziere ich potenzielle Großspender*innen?

  • Aus den geleisteten Spendensummen
  • Mit Hilfe der Bankangaben. Manche Banken vergeben Konten z. B. erst ab 1 Million Euro Vermögen, oder es handelt sich um Privatbanken.
  • Teilweise nach der Wohnanschrift, z. B. wenn diese in einem wohlhabenden Viertel liegt
  • Es gibt Dienstleistenden-Screenings, mit denen Hochvermögende identifiziert werden können. Diese Screenings können datenschutzrechtlich problematisch sein, wenn sie Informationen zu Privatpersonen durchleuchten. Teilweise sind sie harmlos, z. B. wenn es sich bei lediglich um den Abgleich mit prominenten Namen handelt.
  • Auch die Suche nach Unternehmer*innen kann sich lohnen.

Welche Strategien und Taktiken sind effektiv, um Großspender*innen zu gewinnen?

Strategisch ist es wichtig, persönliche Beziehungen zu potenziellen Spender*innen aufzubauen und zu vertiefen. Das geschieht am besten durch persönlichen Kontakt, wie etwa individuelle Beratungsgespräche bei einem Getränk oder Telefonanrufe, um persönliche Treffen zu vereinbaren. Manche Organisationen gehen noch weiter und schicken ihren Großspender*innen Urlaubskarten oder laden sie zum Abendessen ein.

Das ist die Taktik: Gestalte die Förderbeziehung so persönlich wie möglich, denn wenn es nicht persönlich ist, dann ist es Standard. Um die Interessen potenzieller Großspender*innen genau zu identifizieren, kann das in den USA verbreitete Move Management als Werkzeug dienen.

Was passiert beim Move Management und wie hilft es beim Großspenden-Fundraising?

Das Move Management umfasst z. B. acht Schritte von der Kontaktaufnahme mit potenziellen Spendenden bis zum Zielpunkt, nach einer Großspende zu fragen. Diese Schritte helfen dabei, den geeigneten Zeitpunkt und die passenden Umstände für die Spendenanfrage zu ermitteln. Eine gute Taktik ist es, sich bei jedem Kontakt bereits das Einverständnis für den folgenden Kontakt einzuholen.

Die Kommunikation erfolgt sowohl über Live-Treffen als auch Telefonate und E-Mails, um verschiedene Kanäle zu nutzen. Zum Beispiel beginnt es mit einem Kennenlernen, gefolgt von der Erkundigung nach Interessen und Angeboten zu verschiedenen Themen. Dann kann über Projekte mit unterschiedlichen Budgets gesprochen werden, inklusive Informationen oder Gesprächen mit Projektpartner*innen und ethischen Aspekten.

Ziel ist, dass sich die Kontaktperson am Ende des Gesprächs wohl fühlt und einer Spende zustimmt.

Welche Voraussetzungen sind für Großspender*innen besonders attraktiv?

  • Die 100prozentige Bindung der Mittel an ein Projekt. Dennoch sollten Non-Profits kommunizieren, dass es ohne Verwaltungskosten nicht geht. Je niedriger diese ausfallen, umso attraktiver ist das Projekt in der Regel für die Spendenden.
  • Klare Wirkungsmechanismen und -nachweise
  • Gegebenenfalls gute PR oder eine symbolische Gegenleistung, z. B. die Benennung eines Gebäudes nach dem oder der Spender*in

Großspender*innen sind selbstverständlich individuelle Persönlichkeiten. Manche mögen es auch unauffällig oder legen sogar Wert darauf, anonym zu bleiben. Einige Großspender*innen warten auf Vorschläge für neue Förderprojekte, andere haben eigene Vorschläge. Wichtig ist, diese Präferenzen früh zu erkennen.

Welche Rolle spielen persönliche Beziehungen und Netzwerke bei der Gewinnung von Großspender*innen?

Eine große. Eine gute Möglichkeit besteht darin, bereits vorhandene Großspender*innen um die Öffnung ihres Netzwerks zu bitten. Organisationen mit einem großen Spendenkreis haben wahrscheinlich bereits 1 bis 10 Prozent Großspendende. Wenn der Spendenkreis klein ist oder keine Großspender*innen enthält, erfordert dies einen anderen Ansatz.

Dann müssen Geschichten präsentiert, Kaltakquise betrieben und Präsenz in z. B. Business Clubs gezeigt werden, wo sich Unternehmer*innen treffen. Manche Clubs erfordern eine Mitgliedschaft. Um dort selbstbewusst nach Förderung zu fragen, braucht es eine gewisse Attitüde und das richtige Auftreten.

Wie fördere ich das Vertrauen von Großspender*innen in meine Organisation?

Einerseits durch Belege wie Jahresberichte, Testate und Wirkungsberichte. Aber möglichst nur die, die Großspender*innen explizit sehen wollen. Alle wichtigen Fakten sollten in fünf Minuten kommuniziert sein – Details können auf Anfrage nachgereicht werden.

Zusätzlich sind Offenheit, Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit wichtig: Man sollte stets transparent sein und seine Versprechen halten. Denn Hochvermögende haben weniger Zwänge und können immer Alternativen für andere Förderprojekte in Betracht ziehen. Nur erstklassiger Service überzeugt!

Welche rechtlichen und ethischen Aspekte muss ich bei der Akquise von Großspender*innen beachten?

Bei der Datenspeicherung gilt der gesetzliche Datenschutz, wobei hier ein Dilemma besteht: Einerseits sollten Organisationen persönliche Daten sparsam speichern, andererseits ist es wichtig, so viele Präferenzen wie möglich zu erfassen. Zudem ist das Festlegen einer Giving Policy empfehlenswert, um den Einfluss von Großspender*innen zu begrenzen.

Diese könnte beinhalten, dass keine speziellen Projekte für einzelne Spendenden angeboten werden oder dass ihre inhaltliche Mitsprache begrenzt ist, um Erpressung oder eine Abweichung von der Mission zu verhindern. In persönlichen Beziehungen zwischen Großspender*innen und Non-Profit-Mitarbeitenden kann es zu Fehlverhalten kommen. Eine professionelle Herangehensweise ist wichtig, um Abhängigkeitsverhältnisse zu vermeiden.

Wie gestalte ich eine effektive Großspendenkampagne und welche Kanäle eignen sich?

Eine gute Planung, basierend auf einer Machbarkeitsstudie, ist der erste Schritt. Diese beinhaltet Vorgespräche mit potenziellen Spendenden, um ihre Spendenbereitschaft und Interessen zu ermitteln. Dabei werden auch mögliche Multiplikator*innen im eigenen Netzwerk identifiziert.

Spendenkampagnen bestehen oft aus drei Phasen: eine stille (Kontakt zwischen Organisation und wenigen Großspender*innen), eine semi-öffentliche (Kommunikation der Kampagne innerhalb der Organisation und ihrer Spendengemeinschaft) und eine öffentliche Phase.

Es ist wichtig, dass die Ansprache der Großspender*innen individuell erfolgt und nicht auf Massenansprache setzt. Eine Kampagne wird nie alle Großspender*innen überzeugen. Es sollten aber genug sein, um die gesteckten Ziele zu erreichen.

Welche Ressourcen sollte meine Organisation für die Gewinnung von Großspenden einplanen?

Vor allem braucht es Menschen! Sie müssen in der Lage sein, auf Augenhöhe mit Großspender*innen zu agieren, exzellente Kommunikator*innen sein und eine gewisse Neugierde besitzen. Diese Eigenschaften sind schwer zu schulen, man muss sie haben. Aber selbst wenn man sie hat, braucht es dennoch eine spezifische Schulung im Großspenden-Fundraising. Learning bei Doing war gestern und kostet zu viel Zeit.

Für Großspenden-Fundraising gibt es aktuell vor allem zwei große Anbieter: die Fundraising Akademie und das Major Giving Institut. Die Kosten belaufen sich auf 3.500 bis 5.000 Euro – ein Investment, das sich meiner Meinung nach lohnt. Während und nach einer Schulung lernt man zudem am meisten durch den Austausch mit Kolleg*innen. Das kollegiale Netzwerk ist die beste und günstigste Beratung, die es gibt. Und das sage ich, obwohl ich selbst Berater bin.

In der Zusammenarbeit mit Großspender*innen steckt viel Potenzial: Sie machen oft nur etwa 20 Prozent der Spendenden einer Organisation aus, bringen jedoch häufig bis zu 80 Prozent der Einnahmen. Das hat Vor- und Nachteile, wie das Interview zeigt. Generell empfiehlt es sich, möglichst mehrere Großspendende zu gewinnen, um nicht von einer Person abhängig zu sein.

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