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Mit Fördermitteln alleine dauerhaft über Wasser halten? Für Non-Profits eine schwierige Aufgabe. Der Start eines Zweckbetriebs kann für mehr finanzielle Sicherheit sorgen. Felix Scheel vom Verein Schule ein Gesicht geben tut das gerade und hat uns erzählt, wie es läuft. Ein ehrlicher Schulterblick mit vielen wertvollen Tipps.

Der Verein Schule ein Gesicht geben fördert seit 2020 Schülervertretungsarbeit und macht so Demokratie an Schulen erlebbar. Es gibt ein fundiertes Wirkungsmodell, die Zielgruppen sind klar definiert und an engagierten ehrenamtlichen Mitarbeitenden mangelt es auch nicht. Was wie so oft bei gemeinnütziger Arbeit fehlt, ist Geld. Fördermittel alleine können bisher nur einen Teil der Kosten des Vereins decken und erschweren durch die Projektlaufzeiten den Aufbau nachhaltiger Strukturen.

Wenn wir sozial arbeiten und wirken wollen, müssen wir den wirtschaftlichen Gedanken zulassen.

Diese nicht ganz schmerzfreie Erkenntnis stammt von Felix Scheel, pädagogischer Leiter von Schule ein Gesicht geben. Zwei Jahre nach der Vereinsgründung haben er und seine Kolleg*innen deshalb begonnen, den bestehenden Zweckbetrieb gezielt weiter auszubauen. Wie es bisher läuft und was er dabei gelernt hat, verrät euch Felix hier.

2020: Vereinsgründung mit kleinem Zweckbetrieb

Als er den Verein Schule ein Gesicht geben im Jahr 2020 gründete, brachte Felix bereits kostenpflichtige Weiterbildungsangebote aus seiner vorherigen selbstständigen Tätigkeit mit. Einen Zweckbetrieb gab es also von Anfang an, aber die Erzielung von Gewinnen war bisher nebensächlich im Vergleich zur sozialen Wirkung. Die Angebote wurden vorerst weitergeführt, weil sie großen Anklang fanden: Der Verein besuchte Schüler*innen an ihren Schulen und bot dank Kooperationen ein- bis zweitägige Weiterbildungs-Fahrten für Schüler*innen an. Weitere Kooperationen mit Förderpartner*innen ermöglichten das Angebot von Fortbildungs-Tagesveranstaltungen mit jeweils 25 bis 30 Erwachsenen und Jugendlichen.

Im Jahr 2021 erhielt Schule ein Gesicht geben erste größere Förderungen, dank derer der Verein einen ersten großen Wachstumsschub erhielt. Diese deckten zwar das erste Mal auch anfallende Personalkosten, der Anteil an ehrenamtlicher Tätigkeit war jedoch immer noch immens. Ein Modell, mit dem der Verein dauerhaft auch ohne Förderungen funktionieren könnte, gab es dadurch aber natürlich noch nicht.

2022: Der wirtschaftliche Gedanke wird wichtiger

Im Mai/Juni 2022 stand fest, dass alle größeren Förderungen zum Jahresende auslaufen würden. Felix und seine Kolleg*innen mussten sich eingestehen, dass die Einarbeitung von neuem Personal sehr viel mehr Zeit und Energie kostete als ursprünglich angenommen und damit die Suche nach Anschlussfinanzierungen in den Hintergrund rückte. Der wirtschaftliche Gedanke, der im Verein zuvor nur eine untergeordnete Rolle gespielt hatte, wurde wichtiger. Es stand fest, dass der Zweckbetrieb weiter ausgebaut werden muss, um langfristig das Personal halten zu können.

Finanzielle Ziele: Was der Zweckbetrieb erreichen soll

„Wir sehen den Zweckbetrieb als Fundament, um Anträge zu stellen, Overhead-Kosten zu decken, Eigenmittel zu generieren und Leitungsstellen zu bezahlen“, sagt Felix. Die aktuelle Beschäftigungssituation sieht so aus: Es gibt zwei 15-Stunden-Stellen für die Leitung des Vereins und eine 15-Stunden-Stelle für Kooperationen. Diese drei Stellen sollen unabhängig von Förderungen finanzierbar sein – aus den Einnahmen des Zweckbetriebs. Alle restlichen Mitarbeitenden sind abgesehen von Honorarkräften für Fortbildungen und Minijobber*innen ehrenamtlich tätig.

„Im Grunde befinden wir uns im Aufbau eines neuen Sozialunternehmens“, erklärt Felix. „Wir müssen uns fragen: Was ist unsere Arbeit wert? An welchem Punkt entscheiden wir uns gegen Schulen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht für die angefragten Leistungen bezahlen können? Dieser Prozess ist und war für uns schmerzlich, weil es unser Ideal ist, unsere Arbeit allen Schüler*innen zugänglich zu machen.”

Angebotsentwicklung: Welche kostenpflichtigen Produkte sind sinnvoll?

Herausforderungen
Zwar verfügte der Verein bereits über hochwertige Angebote, die großen Anklang fanden. Doch der damit verbundene Aufwand war – verglichen mit der niedrigen Skalierbarkeit – zu hoch. Es mussten regelmäßig neue Expert*innen für die Weiterbildungen gefunden werden. Und es war eigentlich zu teuer, jeweils zwei Expert*innen an eine Schule zu schicken. Genau das wünschten sich jedoch die Kund*innen.

Hinzu kommt, dass Schule ein Gesicht geben in Ostdeutschland sitzt. „Ausgerechnet dort befinden sich auch die zahlungsschwächeren Schulen, die gleichzeitig den größten Weiterbildungsbedarf haben“, erklärt Felix. Der Verein befindet sich damit in einer Zwickmühle: Schulen in Westdeutschland sind häufiger bereit, für die Angebote zu bezahlen – doch sie sind auch schon weiter im Aufbau von Mitbestimmungs-Strukturen.

Lösungsidee
„Für uns steht fest: Wir wollen unsere Expertise nicht auf eine neue Zielgruppe transformieren, um mehr Geld einzunehmen“, so Felix. „Wir wollen weiterhin Jugendliche ansprechen. Die bringen allerdings kein Geld mit.“ Er und seine Kolleg*innen lernten, dass es sinnvoll sein kann, die direkte Zielgruppe und diejenigen, die für Angebote bezahlen können, voneinander loszulösen.

Da für Erwachsenenbildung besser bezahlt wird, lautete eine Lösungsidee: mehr Angebote für Lehrkräfte, zumal hier oft die Kosten von den Schulen übernommen werden. „Wir haben gelernt, dass wir uns auf die Zielgruppe fokussieren müssen, die uns finanzieren kann, um anschließend zur eigentlichen Zielgruppe zurückzukehren“, sagt Felix.

Neue Angebote für den Zweckbetrieb
Aktuell entwickelt Schule ein Gesicht geben ein Weiterbildungsangebot für Lehrkräfte als Multiplikator*innen für die Unterstützung ihrer Schülervertreter*innen. Der Verein konzentriert sich außerdem verstärkt auf digitale Formate, weil diese leichter skalierbar sind als Präsenzveranstaltungen. So ist es auch möglich, eine große Anzahl Coachings für Schüler*innen an so vielen Schulen wie möglich anzubieten.

Gleichzeitig beschränken Felix und seine Kolleg*innen sich auf einige wenige Formate: „Von 25 Produkten haben wir für die Skalierung innerhalb des Zweckbetriebs vier Angebote ausgewählt: ein digitales und ein analoges Format für Jugendliche sowie zwei digitale Formate für Erwachsene.”

Zwischenstand: Wie läuft es mit dem Zweckbetrieb?

„Unsere zeitliche Planung war etwas zu ambitioniert“, sagt Felix. „Wir wollten das alles innerhalb von sechs bis neun Monaten umsetzen, um die beschriebenen Stellen selbst finanzieren zu können. Aber das Tagesgeschäft hat das nicht möglich gemacht.“ Ein Drittel der Arbeitszeit beider Leitungsstellen soll ins Networking und in die Antragsstellung fließen. Dank weiterer Förderungen bis Ende 2023 hat sich die Lage jedoch entspannt: Diese sind ein guter Puffer, um den Zweckbetrieb weiter ausbauen zu können.

Im Jahr 2021 konnte der Verein zum ersten Mal Geld an die Mitarbeitenden verteilen. „Wir haben mit Honorarverträgen rumjongliert“, sagt Felix. Das hatte übrigens zur Folge, dass die Bereitschaft für rein ehrenamtliche Tätigkeiten zurückging: Viele wünschen sich nun ein Honorar für ihre Mitarbeit.

3 Tipps für den Zweckbetrieb von Schule ein Gesicht geben

  1. Veränderungsprozesse brauchen Begleitung
    Felix und seine Kolleg*innen haben festgestellt: „Wir können uns nicht verkaufen, weil wir immer komplett sozial denken wollen.“ Deshalb haben sie sich Expertise von außen geholt. „Wir nehmen Stipendien in Anspruch – derzeit ein 4-Monats-Coaching zur Entwicklung unseres Zweckbetriebs.“ Mit fachlicher Unterstützung lernen sie die Welt und die Sprache des Marketings und der freien Wirtschaft besser verstehen.
  2. Rechtliche Absicherung braucht Expertise von außen
    Was man bei Schule ein Gesicht geben ebenfalls schnell lernen musste: Die Abgrenzung zwischen einem Zweckbetrieb und einem reinen und damit voll steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ist kompliziert. Unschärfe in diesem Bereich kann zu einer Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen – deshalb nutzen Felix und seine Kolleg*innen auch in diesem Bereich Expertise von außen.
  3. Für Fundraising muss es klar abgetrennte Ressourcen geben
    Felix hat die zeitlichen Aufwände unterschätzt. Umso wichtiger ist es, für klare Zuständigkeiten zu sorgen. Beim Fundraising ist das besonders essenziell. Förderanträge schreiben sich nicht von alleine und gute Beziehungen zu Fördernden sind unverzichtbar. Felix empfiehlt deshalb: „Beauftragt am besten eine Person damit, sich ausschließlich um das Förderthema zu kümmern. Oder macht klare Angaben, zum Beispiel, dass 30 Prozent der Arbeit jeder Person ins Fundraising fließen müssen.“

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